Die Verwerfungen in der Luftfahrtindustrie nehmen immer bedrohlichere Formen an. Nun hat mit der kolumbianischen Star Alliance Airline Avianca der erste “Big Player” Insolvenz nach Chapter 11 des US-amerikanischen Insolvenzrechts in den USA angemeldet. Betroffen sind neben der Holding eine Reihe von Tochterfirmen des südamerikanischen Carriers, der – 1919 als Kolumbianisch-Deutsche Gesellschaft für Lufttransporte von einem deutschen Auswanderer gegründet – zu den ältesten Airlines der Welt und zu den größten und wichtigsten in Lateinamerika zählt.
Avianca hat einen Umsatzverlust um mehr als 80% zu verzeichnen seit der Flugverkehr aufgrund der Covid-19-Pandemie seit Mitte März fast vollständig zum Erliegen gekommen war. Verhandlungen über Staatshilfen mit der kolumbianischen Regierung sind zuletzt ins Stocken geraten und da nun eine Anleihe über 65 Millionen Dollar zur Rückzahlung anstand, blieb der Airline nichts anderes übrig als die Insolvenz.
Insolvenz nach Chapter 11 des amerikanischen Insolvenzrechts
Der Weg der Restrukturierung über das amerikanische Insolvenzrecht ist (nicht nur) bei Airlines beliebt, lässt es doch dem Unternehmen die Möglichkeit, das operative Geschäft unter eigener Federführung fortzuführen, während man aber vor Forderungen von Gläubigern geschützt ist. Trotzdem ist die Restrukturierung in Eigenregie natürlich mit engen Auflagen verknüpft, die penibel eingehalten werden müssen, um den Fortbestand des eigenen Unternehmens sicherzustellen. Das amerikanische Insolvenzrecht, das nach dem 11. September bereits viele Unternehmen vor der Pleite gerettet hat, diente dem deutschen Schutzschirmverfahren, unter dem sich aktuell Condor befindet, gewissermaßen als Blaupause. Insolvenzschutz nach Chapter 11 kann jedes Unternehmen beantragen, das in den USA entweder eine Niederlassung oder relevante Vermögenswerte besitzt.
Avianca beschäftigt rund 21.000 Angestellte, von denen 14.000 in Kolumbien angesiedelt sind. Darüber hinaus sind von der Avianca-Insolvenz auch ca. 3.000 Zulieferer betroffen und auch Star Alliance-Partner United Airlines wird die Entwicklung gespannt verfolgen, hat der US-Carrier Avianca doch Kredite in dreistelliger Millionenhöhe direkt und indirekt gewährt. Die Airline ist mit über 50% Marktanteil dominant im Heimatland Kolumbien und ist ein wichtiger Pfeiler in der kontinentalen Luftfahrt in Lateinamerika. Zuletzt hatte Avianca auch eine Direktverbindung von Bogota nach München im Flugkalender. Avianca war bereits im vergangenen Jahr von der Insolvenz der Tochterfirma Avianca Brasil erschüttert worden. Kurz darauf musste auch der argentinische Arm von Avianca aufgeben, was den Hauptanteilseigner German Efromovich seinen Chairman-Posten kostete, den er gleichzeitig innehatte.
LifeMiles nicht von Avianca-Insolvenz betroffen
Das unter Meilenoptimierern hoch geschätzte Vielfliegerprogramm LifeMiles ist als eigenständiges Unternehmen, technisch gesehen, zunächst einmal nicht von der Insolvenz betroffen. Doch wissen natürlich alle, die noch Meilen bei Airberlins Topbonus-Programm hatten, wie wenig wert eine solche Eigenständigkeit sein kann, wenn der maßgebliche Airline-Partner verschwindet. Trotz der hohen Attraktivität des LifeMiles-Programms, die insbesondere auch darin besteht, dass Airline-Zuschläge nicht an die Kunden weitergegeben werden, ist von dem Kauf größerer Mengen an Meilen derzeit wohl klar abzuraten.
Avianca meldet Insolvenz an – Fazit
Mit der Insolvenz von Avianca zeigt sich, dass Corona nicht nur kleine regionale Airlines mit schwacher Liquidität gefährdet, sondern auch die Big Player. Der Fortgang des Insolvenzverfahrens nach Chapter 11 in den USA dürfte in der Luftfahrtbranche mit großem Interesse beobachtet werden, ähnelt die Situation z.B. bei Lufthansa mit dem angedrohten Schritt in das Schutzschirmverfahren durchaus der aktuellen Entwicklung bei Avianca. Für Vielflieger und Meilensammler heißt es Daumen drücken für Avianca, denn selbst wer nie mit der Airline fliegt, wird vielleicht schon von den tollen Deals des Vielfliegerprogramms LifeMiles profitiert haben.
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