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03. Oktober 2019 Kai 1 Flugrecht, News

Rechtskräftiges Urteil gegen Lufthansa zum Verfall von Teilstrecken

Lufthansa: 0 – Pfiffiger Vielflieger: 1. Im Prozess um die Nachberechnung eines Ticketpreises für einen Flug, bei dem ein Passagier das letzte Leg bewusst hatte verfallen lassen, hat die Kranich-Airline vor dem Berliner Landgericht nun eine Schlappe hinnehmen müssen und die Berufung gegen ein nunmehr rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichtes Berlin-Mitte zurück gezogen.

Rechtskräftiges Urteil gegen Lufthansa zum Verfall von Teilstrecken – Worum geht es genau?

Es ist ein offenes Geheimnis, dass Flüge, die außerhalb von Deutschland starten, oft sehr viel günstiger sind als Flüge mit Start von einem deutschen Flughafen. Das führt dazu, dass preisbewusste Vielflieger den Abflugort nach Stockholm, Budapest, Amsterdam oder Paris verlegen und für einen Business Class-Flug auf der Langstrecke oft einige hundert oder sogar tausend Euro weniger bezahlen. Zubringerflüge zu den genannten Airports im benachbarten Ausland gibt es oft zum Taxipreis. Fliegt man mit Lufthansa routet der Flug aus dem Ausland dann natürlich dennoch über Frankfurt oder München, von wo aus dann der Langstreckenflug startet. Auf dem Rückflug lässt man dann einfach das letzte Teilstück verfallen und steigt in Frankfurt (bzw. München) aus statt, den letzten Flug nach Stockholm oder zu einem anderen Zielpunkt zu absolvieren.

Lufthansa hatte zuletzt für Schlagzeilen gesorgt, weil sie solchen Passagieren eine Nachberechnung des Flugpreises in Rechnung stellen. Lufthansa fordert dann die Differenz zwischen der gebuchten und der tatsächlich geflogenen Route mit Ziel in Deutschland.

Rechtskräftiges Urteil gegen Lufthansa zum Verfall von Teilstrecken – Welcher Fall wurde in Berlin behandelt?

Der Fall, der nun vor dem Berliner Landgericht verhandelt wurde, hatte ein paar Besonderheiten. Der Passagier hatte einen Promo-Tarif für einen Business Class-Flug von Oslo über Frankfurt nach Seattle (und zurück) für umgerechnet 657 Euro gebucht. Auf dem Rückflug stieg er in Frankfurt aus und flog auf einem ebenfalls bei Lufthansa gebuchten Flug nach Hause nach Berlin. Die Lufthansa forderte nun nach einer Neukalkulation der tatsächlich geflogenen Route von dem Mann 2.112 Euro. Dieser weigerte sich zu zahlen und wurde daraufhin von der Airline verklagt.

Während Airlines generell die weitere Beförderung verweigern, wenn man das erste oder ein weiteres Teilstück nicht antritt, kann einem Passagier dies bei dem letzten Teilstück ja egal sein. Lufthansa sah die Erfolgsaussichten in diesem Fall nach der erstinstanzlichen Schlappe offenbar skeptisch und zog nun mit der Rücknahme der Berufung die Notbremse. Durch die Rücknahme der Berufung ist das erstinstanzliche Urteil des Amtsgerichts nun rechtskräftig geworden.

Rechtskräftiges Urteil gegen Lufthansa zum Verfall von Teilstrecken – Darf man nach dem Urteil nun Teilstrecken verfallen lassen?

Das bleibt weiterhin ungeklärt. Lufthansa hatte das erstinstanzliche Verfahren vor allem deshalb verloren, weil sie bei der Neuberechnung des Tarifs einen bösen Fehler begangen haben. Sie haben nämlich nicht bis Frankfurt neuberechnet, wo der Passagier ausgestiegen ist sondern bis Berlin. Das Amtsgericht Berlin-Mitte hat jedenfalls in der Urteilsbegründung darauf hingewiesen, dass die Frage “Kann eine Airline mehr Geld verlangen, obwohl weniger geflogen wird?” mit dem Urteil nicht generell verneint werden kann. Im Einzelfall kann es also rechtskonform sein, eine Route nachzuberechnen, aber nicht so wie Lufthansa das gemacht hat und nicht im Rahmen der aktuellen AGB von Lufthansa. Für eine rechtskonforme Nachberechnung durch die Airline müsste im Buchungsprozess auf die entstehenden Kosten hingewiesen werden, die anfallen, wenn der letzte Flug nicht angetreten wird.

Rechtsanwalt Dr. Matthias Böse, der den Beklagten vor Gericht vertreten hat, wird mit der Aussage zitiert: „Lufthansa hat eingesehen, dass die verwendete Fassung ihrer Beförderungsbedingungen mit deutschem Recht nicht vereinbar ist. Durch die Rücknahme der Berufung besteht für Passagiere jetzt Rechtssicherheit, ohne dass der Fall vor dem Bundesgerichtshof verhandelt werden muss.“ Das scheint doch eher Wunschdenken zu sein, denn es kann gut sein, dass Lufthansa sich einen für sie günstigeren Fall rauspickt, um diesen durch die Instanzen zu treiben und ein für sich positives Urteil zu erzielen.

Hatte Lufthansa die Nachberechnung nicht in den AGB geregelt?

Doch, das hatte sie. Die entsprechende Passage in den Lufthansa-AGB lautet:

“Sofern Sie sich für einen Tarif entschieden haben, der die Einhaltung einer festen Flugscheinreihenfolge vorsieht, beachten Sie bitte: wird die Beförderung nicht auf allen oder nicht in der im Flugschein angegebenen Reihenfolge der einzelnen Teilstrecken bei ansonsten unveränderten Reisedaten angetreten, werden wir den Flugpreis entsprechend Ihrer geänderten Streckenführung nachkalkulieren. Dabei wird der Flugpreis ermittelt, den Sie in Ihrer Preisgruppe am Tag Ihrer Buchung für Ihre tatsächliche Streckenführung zu entrichten gehabt hätten.”

Entgegen dem weitverbreiteten Irrglauben, dass Allgemeine Geschäftsbedingungen immer gelten und in Stein gemeißelt sind, ist es vielmehr so, dass diese einer allgemeinen gerichtlichen Kontrolle unterliegen. Ich kann als betroffener Verbraucher also jederzeit die Wirksamkeit einzelner Klauseln in AGB anzweifeln und gerichtlich überprüfen lassen.

In diesem Fall hat das Gericht festgestellt, dass die Regelung in den AGB mindestens gegen das in § 307, Abs. 1 BGB festgelegte Transparenzgebot verstößt und damit unwirksam ist. Eine wirksame Regelung würde voraussetzen, dass der Kunde zum Zeitpunkt der Buchung sehen würde, wie viel die Route bei Auslassen von Teilstrecken kosten würde. Auch die Tatsache, dass die AGB keine Deckelung der Nachforderung vorsehen, sah das Gericht als unzulässige Benachteiligung an.

Rechtskräftiges Urteil gegen Lufthansa zum Verfall von Teilstrecken – Worauf muss ich achten, wenn ich früher aussteigen will?

Ein rechtskräftiges Amtsgerichtsurteil ist nicht das Ende der Rechtsprechung und es ist nicht anzunehmen, dass Lufthansa den Widerstand gegen diese Praxis nun aufgeben wird. Auf der anderen Seite hat Lufthansa diesem Trick, sich ein günstigeres Ticket zu verschaffen, mit ihren Klagen noch mehr Aufmerksamkeit verschafft.

Fakt ist: Wer einen wichtigen Grund hat, eine Flugreise vorzeitig abzubrechen, wird dies auch immer tun können, ohne Regressforderungen fürchten zu müssen. Wer aus gesundheitlichen Gründen eine Flugreise vorzeitig abbricht, wird ebenso wenig Nachforderungen zu befürchten haben wie jemand, der dringende persönliche Gründe hat, die zum Zeitpunkt der Buchung vielleicht noch nicht absehbar waren. Auch kann es natürlich immer passieren, dass man einen Anschlussflug aus den verschiedensten Gründen verpasst. Nicht immer ist die Absicht den Flug verfallen zu lassen so einfach nachzuweisen, wie in diesem Fall, bei dem der Passagier seinen Heimflug nach Berlin ja sogar als getrenntes Ticket bei derselben Airline gebucht hat.

Wer den vorzeitigen Ausstieg schon bei der Buchung plant, sollte eine Probebuchung mit dem tatsächlichen Ausstiegsort vornehmen und einen Screenshot vom Preis machen, bevor er den günstigeren Flug von/nach Ausland bucht. So kann ggf. belegt werden, ob die geforderte Differenz tatsächlich zum Zeitpunkt der Buchung bestanden hätte.

Wie komme ich bei vorzeitigem Ausstieg an mein Gepäck?

Das kann tatsächlich zu Diskussionen führen. Am besten ist es natürlich, in einem solchen Fall nur mit Handgepäck zu reisen. Wenn man einen Flug nicht antritt, ist die Airline aus Sicherheitsgründen verpflichtet, das Gepäck aus dem startbereiten Flugzeug auszuladen, was natürlich zu Verspätungen und auch immensen Zusatzkosten führen kann. Diesen Weg sollte man daher auf keinen Fall wählen. Man kann aber auch beim Check-In schon darum bitten, dass das Gepäck nur bis Frankfurt durchgecheckt wird. Dies geht vor allem dann, wenn man einen längeren Layover vor dem letzten Flug hätte und Gegenstände aus seinem aufgegebenem Gepäck benötigt. Allerdings ahnen viele Airlines offenbar schon, worauf das hinausläuft und nehmen eine teils dreistellige “Servicepauschale” für das vorzeitige Entladen des Gepäcks.

Rechtskräftiges Urteil gegen Lufthansa zum Verfall von Teilstrecken – Gilt das Urteil auch für Buchungen bei Reisebüros?

Nein, denn bei einer Buchung über ein Reisebüro oder OTA werden die AGB’s der Airline oft gar nicht oder zumindest nicht rechtswirksam in den Vertrag zwischen Reisebüro und Verbraucher einbezogen. Allerdings hält das die Lufthansa derzeit nicht davon ab, auch hier Nachforderungen zu verschicken – in diesem Fall an ein Online-Reisebüro, das die Forderung an den Passagier weitergegeben hat. Man wird abwarten müssen, wie die Gerichte hier entscheiden werden. Für den Passagier ist eine Buchung über ein Reisebüro sicherlich vorteilhafter, weil man sich dann vor allem mit den AGB des Veranstalters auseinandersetzen muss, die solche Nachberechnungsklauseln meist nicht vorsehen.

Letzten Flug verfallen lassen – Die Moral von der Geschicht

Dass ein Gericht der Lufthansa die eigenen AGB um die Ohren haut, ist ein bemerkenswerter Vorgang. Dennoch hat dieses erstinstanzliche Urteil mangels grundsätzlicher Feststellungen faktisch keine Auswirkungen auf ähnlich gelagerte Fälle. Für das Amtsgericht war es schon ausreichend, dass ein einzelner Punkt in den AGB’s unwirksam war, so dass es sich mit den weiteren von dem Beklagten vorgebrachten Punkten gar nicht mehr befassen musste. Wenn Lufthansa also bei seiner Strategie der Nachforderungen bleibt, wird man abwarten müssen, was Oberlandesgerichte oder am Ende eben der BGH zu der Rechtsfrage sagen.

So lange kann man Vielfliegern eher dazu raten, Flugtickets in der gebuchten Reihenfolge abzufliegen und sich ggf. mal einen schönen Nachmittag in Stockholm, Budapest oder sonst einer europäischen Metropole zu machen.

Interessiert euch das Thema, sei euch ein Blick in den zugehörigen Vielfliegertreff Thread empfohlen, welcher die gesamte Story (auch aus Sicht des Beklagten) von Anfang bis Ende abdeckt.

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