Auf meinem Rückflug von Montreal nach München durfte ich das aktuell wohl ungewöhnlichste Lufthansa Produkt testen, Lufthansas “neue” Business Class im A350-900. Denn Lufthansa verfügt seit kurzer Zeit über vier A350-900, die zuvor für Philippine Airlines im Einsatz waren, und mehr oder weniger unverändert samt Business Class Sitzen in 1-2-1 Konfiguration übernommen wurden. Wie mir der Flug gefallen hat und, ob ein neuer Sitz gleichzeitig einen verbesserten Service bedeutet, erfahrt ihr in diesem Review…
Was ist die “neue” Lufthansa Business Class?
Im Oktober 2021 wurde bekannt, dass Lufthansa vier gebrauchte Flugzeuge des Typs Airbus A350-900, welche zuvor von Philippine Airlines betrieben wurden, übernehmen würde. Seit dem Sommerflugplan 2022 sind die vier neuen A350 für Lufthansa im Einsatz und haben – wie bereits zu Anfang spekuliert – weiterhin das alte Bordprodukt von Philippines Airlines an Bord. Das Interessante an der Sache: Das verbaute Business Class Produkt, ein Vantage XL Sitz von Thompson Aero, ist moderner als das der Lufthansa. So hat insbesondere jeder der 30 Business Class Sitze direkten Zugang zum Gang. Insgesamt finden 295 Passagiere (30 Business Class, 24 Premium Economy Class und 241 Economy Class) an Bord der ehemaligen Philippine Airlines A350 Platz.
Die vier geleasten A350-900 sind in München stationiert und werden aktuell auf den drei Kanadarouten nach Vancouver, Toronto und Montreal eingesetzt. Solltet ihr in naher Zukunft einen Flug auf einer dieser Strecken geplant oder bereits gebucht haben, so ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass ihr ebenfalls die neueren Sitze in der Business Class testen könnt.
Nicht zu verwechseln ist die in diesem Artikel vorgestellte “neue” Business Class mit der echten neuen Lufthansa Business Class, welche bereits 2017 vorgestellt wurde, aber immer noch nicht im Einsatz ist. Mehr dazu in Was wir bisher über die neue Lufthansa Business Class wissen. Somit könnte es bald gut sein, dass die Lufthansa drei unterschiedliche Business Class Produkte auf Langestreckenflügen anbietet. Business Class Passagiere, die sich über viele Jahre lang darauf verlassen konnten stets die in die Jahre gekommene 2-2-2 Konfiguration anzutreffen, müssen zukünftig etwas genauer hinschauen, welches Bordprodukt eingesetzt wird.
Lufthansas “neue” Business Class A350-900 – Die wichtigsten Daten
- Airline: Lufthansa
- Flugzeugtyp: Airbus A350-900
- Flugnummer: LH475
- Flugzeit: 06:37 Stunden
- Tag/Nacht: Nachtflug
- Reiseklasse: Business Class
- Kabinen-Konfiguration: 1 – 2 – 1
- Kabinen-Größe: 30 Sitze in 8 Reihen
- Sitzbreite: 21 Zoll / 53 cm
- Pitch/Sitzabstand: 78 Zoll / 198 cm
- Recline: 180 Grad
Lufthansas “neue” Business Class A350-900 – Boarding/Kabine
Der Flug aus München ankommende A350 hatte 45 Minuten Verspätung, wodurch sich das Boarding für unseren Flug von Montreal zurück nach München um 30 Minuten verzögern sollte. Am Gate wurden die Gäste in zwei Schlangen aufgeteilt. Eine Schlange für Boarding Gruppe 1 und 2 und eine zweite Schlange für alle anderen. Noch in der Schlange wartend kam erst die Crew und betrat das Flugzeug. Da ich unbedingt eine leere Kabine fotografieren wollte, schummelte ich mich ein wenig in der Schlange nach vorne und es sah so aus, als sollte ich das Glück haben der Erste an Bord zu sein. Vor mir wurden lediglich Eltern mit Kindern und Passagiere mit Unterstützung geboardet. Nach erfolgreichem Scan meines Tickets beschleunigte sich mein Gang Richtung Flieger. In der Fluggastbrücke um die Ecke gebogen wurde mein Eifer der Erste zu sein jedoch abrupt gestoppt. Alle vor mir geboardeten Passagiere warteten darauf das Flugzeug betreten zu können. Somit schlossen die anderen Business Class Passagiere ebenfalls zu mir auf und wir mussten weitere 10 Minuten in der Brücke verweilen, bis wir das Flugzeug letztendlich betreten durften. Daher gibt es leider auch kein Kabinenbild ohne andere Gäste. Beim Betreten des Flugzeugs wurde mein Ticket von einem nicht so motivierten Lufthansa Steward geprüft und kurz auf den ersten Gang gedeutet.
Insgesamt verfügt die Kabine über 30 Business Class Sitze in einer 1-2-1 Konfiguration. Im vorderen Teil des Flugzeuges befinden sich die Galley für die Business Class und zwei Toiletten. Somit kann es in den ersten beiden Reihen recht laut werden und man sollte diese meiner Meinung nach vermeiden.
Bevor die Lufthansa die neuen Airbus A350 in den regulären Betrieb aufgenommen hat, gab es noch einen Refresh der Farben in der Kabine. Das hellblaue Design, welches Philippines Airlines in ihren Kabinen für die Sitzbezüge verwendet, wurde durch das dunkle Lufthansa-Blau ersetzt.

In der Mitte der Kabine sind keine Overhead Bins verbaut, was die Kabine gleich größer erscheinen lässt. Die Vantage XL Sitze sind versetzt verbaut. Somit wechselt sich die Sitzkonfiguration in jeder Reihe ab, da sich der Fußraum für einen bestimmten Sitz an der Seite der Vordersitze befindet. Alle Fenstersitze mit einer ungeraden Nummer befinden sich direkt am Fenster und die Ablage befindet sich zum Gang hin. In allen geraden Reihen befindet sich die Ablage auf der Fensterseite und man hat direkten Zugang zum Gang, wohingegen in den ungeraden Reihen ein eher kleiner Spalt zum Gang der Kabine führt. Die Doppelsitze in der Mitte sind nicht unbedingt für Paare geeignet. Ein Sichtschutz, welcher sich nicht herunterfahren lässt, versperrt die Sicht auf den Nachbarn, was natürlich auch von Vorteil sein kann, wenn sich beide nicht kennen.
Im Vergleich zu der Standard Lufthansa Business Class ist der neue Sitz dennoch ein enormer Fortschritt. Im nächsten Abschnitt mehr zum neuen Sitz. Dieser sollte einige Überraschungen parat halten.
Lufthansas “neue” Business Class A350-900 – Sitz/Bett
Der Sitz in Lufthansas neuer Business Class ist um Welten besser als der Sitz aus der 2-2-2 Konfiguration – so viel sei gesagt. Allerdings scheint der Sitz auch viele Macken zu haben. Bereits vor dem Flug wurden mehrere Passagiere umgesetzt, da manche Sitze nicht zu 100 Prozent funktionierten. Dabei sollte es aber nicht bleiben. Der Fluggast vor mir musste sich während des Fluges auch umsetzen, weil sein Sitz sich nicht in ein flache Bettposition bringen ließ.
Leider hatte auch mein Sitz Probleme. So hatte ich das Gefühl, dass sich die Massagefunktion manchmal selbst anschaltete. Auch die Rückenlehne an der Position des Hohlkreuzes konnte ich nicht verstellen, was sich bei der flachen Bettposition als ein echtes Problem herausstellen sollte. Denn dies führte in der flachen Position zu einer kleinen Erhebung in der Mitte des Sitzes, was absolut unbequem war. An erholsamen Schlaf war in der Position nicht zu denken. Alle noch funktionierenden Sitze waren bereits belegt, sodass ich einer schräg gestellten Position liegen musste.
Das Flugzeug ist lediglich drei Jahre alt und ausgiebig von Lufthansa Technik gecheckt worden, bevor es in den regulären Betrieb aufgenommen wurde, daher war ich überrascht über die vielen Probleme es in der Business Class Kabine gab. Man bedenke, dass in den letzten 3 Jahren aufgrund der Corona Pandemie das Flugzeug weniger zum Einsatz kam als ursprünglich gedacht. Dafür sah der Sitz an der einen oder anderen Ecke schon ziemlich abgenutzt aus. Leider war dieser auch nicht an jeder Stelle sauber gemacht worden. Links von meinem Sitz lag noch eine aufgebrauchte Tabletten- oder Kaugummipackung.
Neben der großen Ablagefläche gibt es hinten rechts einen Stecker, einen USB-Anschluss, die Bose Kopfhörer, den Controller für den Monitor sowie eine obere Ablage, wo ein Tablet oder Buch verstaut werden kann. Rechts von mir befanden sich die diversen Einstellmöglichkeiten für den Sitz. Eventuell zu viele, wodurch das System anfälliger für Fehler ist. Darüber eine kleine Leselampe. Neben dem Monitor befindet sich ein weitere Ablagemöglichkeit, die aber leider zu klein für ein Tablet ist. Unten rechts an der Sitzschale des Vordersitzes könnte man ein Tablet unterbringen, allerdings ist dieses schon belegt mit Zeitschriften und der Sicherheitskarte.
Der Tisch ist unter der großen Ablagefläche versteckt und lässt sich in ausgefahrener Position näher zum Körper ziehen. Dennoch finde ich den Tisch relativ klein und das Tablet mit Essen passte so gerade auf den Tisch. Getränke musste ich während des Essens auf der Ablagefläche abstellen. Neben dem verstauten Tisch gab es noch vier Knöpfe, um diese schneller in Liegeposition zu erreichen, allerdings habe ich dort zweimal gedrückt und hatte das Gefühl, dass dieses Controllpanel nicht richtig verschraubt war und ich es irgendwie aus der eigentlichen Position gedrückt habe.
Am Sitz ist wie bei vielen neuen Sitzen ein Dreipunktgurt verbaut. Dieser war aber irgendwie nicht für meine Größe gemacht, denn er schauerte die ganze Zeit an meinem Hals, so dass ich diesen ständig links von meiner Schulter geschoben habe und froh war, sobald die Anschnallzeichen erloschen waren. Die Armlehne links von mir ließ sich nach unten fahren, so hatte man in der der Liegeposition mehr Platz.
Zusammenfassend lässt sich über Sitz festhalten, dass dieser bequem ist und genügend Platz bietet. Wenn die Probleme mit den Sitzpositionen behoben werden können, dann ist es auch ein echter Fortschritt zum Sitz in der 2-2-2 Konfiguration.
Lufthansas “neue” Business Class A350-900 – Entertainment/WiFi
Was mir gleich als erstes aufgefallen ist, und worüber ich positiv überrascht war, sind die Bose Kopfhörer mit Noise Cancelling Funktion, die Business Class Passagieren zur Verfügung gestellt wurden. Dies kenne ich sonst nur aus der Lufthansa First Class. Diese Qualitätskopfhörer hatte ich nicht einmal auf meinem Hinflug in der First Class mit der Swiss im A330 (Review: Swiss First Class Airbus A330-300). Naja, irgendwo muss sich die Lufthansa ja auch in der Business Class von der Konkurrenz abheben.
Nachteil ist jedoch, dass die Kopfhörer fest verschraubt sind und man somit seine eigenen Kopfhörer nicht anschließen kann. Der Monitor hat einen Durchmesser von 47cm und bietet eine gute Qualität. Per Touchfunktion lässt sich dieser auch sehr gut bedienen und man kann einfach zwischen den Angeboten hin und her wechseln. Während eines Films lässt sich zur Flugrouteninformation (Flightpath 3D) springen und beim Verlassen wird der Film dort fortgesetzt, wo man diesen verlassen hat. Die Auswahl an Filmen und Serien entspricht dem Lufthansa-Standard. Leider war bei vielen Filmen oder Serien kein Vorschaubild verfügbar. Wer wissen möchte was auf den Flügen aktuell angeboten wird, dem empfehle ich ein Blick auf die Lufthansa Inflight Entertainment Website.
Das Lufthansa FlyNet stand den Gästen auf diesem Flug zur Verfügung. Da es sich um einen Nachtflug handelte und ich ohnehin kein Internet im Flugzeug benötige, habe ich davon aber keinen Gebrauch gemacht. Anders als bei den meisten Airlines, werden keine Datenpakete angeboten, sondern man kann Internetzugang für eine bestimmte Zeit kaufen. Diese Option hatte ich auch British Airways auf meinem Flug Anfang März. Diese Option gefällt mir persönlich besser als sich auf eine begrenzte Menge MB zu beschränken. Hier eine Übersicht die angebotenen Option und Preise:
- Messaging für den ganzen Flug kostet 9,00 EUR
- Premium Surfen kostet für 2 Stunden 19 EUR
- Premium Full Flight kostet für den ganzen Flug 29 EUR
Damit sind die Preise etwas höher als bei British Airways, wo ich für den ganzen Flug zum Beispiel nur 21 Euro zahlen müsste.
Lufthansas “neue” Business Class A350-900 – Essen/Service/Amenity Kit
Tja, es war wieder mal ein Flug mit der Lufthansa, der nicht einmal den 4 Sternen würdig war, geschweige denn einen 5-Sterne Service bot. Ich weiß nicht was es ist, aber meiner Erfahrung nach sind Lufthansa Business Class Flüge von Nordamerika nach Deutschland keine Flüge, die einem aufgrund des Service in Erinnerung bleiben und wenn sie es tun, dann eher in negativer Hinsicht.
Wie bereits erwähnt, machte der Steward beim Boarding schon keinen freundlichen und glücklichen Eindruck. An meinem Sitz angekommen verstaute ich mein Gepäck und knipste ein paar Fotos. Nachdem ich Platz genommen hatte, nahm ich meine Maske ab. Kurz darauf kam die Stewardess, händigte mir eine FFP2 Maske aus und sagte: “Hier haben Sie eine Maske die sie tragen können”. Entweder hatte sie nicht gesehen, dass ich bereits eine hatte oder wollte mir so zum Ausdruck geben, dass nach wie vor Maskenpflicht herrscht. Allerdings hatte sie andere Gäste nicht angesprochen, die ebenfalls keine Maske getragen haben. Kurz darauf brachte mir die gleiche Stewardess mit einem etwas bösen Blick meinen Welcome Drink. Dann wurden vor dem Start noch die Menüs ausgehändigt und das gewählte Hauptgericht von der Stewardess notiert.
Nach 50 Minuten Verspätung begann der Pushback und nach zirka 60 Minuten ging es Richtung München. Eine halbe Stunde nach dem Takeoff begann die Crew mit dem Service. Bevor mit dem Ausschank der Getränke begonnen wurde, bekam jeder Gast noch ein heißes Tuch in die Hand gedrückt, welches nicht auf einer kleinen Schale ausgehändigt wurde.
Nach dem Start war eine andere Stewardess für unsere Reihe zuständig, welche wesentlich freundlicher war. Sie fragte nach meinem Getränkewunsch und ich entschied mich für einen Rotwein. Nüsse oder andere Snacks wurden zu dem ersten Getränk nicht ausgegeben. Nachdem alle Passagiere in der Business Class mit Getränken versorgt waren, wurde auch schon das Essen serviert. Nach wie vor kommt alles auf einem Tablett und noch mit Frischhaltefolie eingepackt. Das ist für mich kein Business Class Niveau und hier kann Corona auch nicht mehr als Ausrede zählen. Das Fleisch schwamm in Soße und Öl. Als mir das Essen gebracht wurde fragte die Stewardess, ob sie mein Glas nochmal voll machen soll. Ich bestätigte, was zur Folge haben sollte, dass sie vergaß mir ein Brot anzubieten. Ich habe nichts gesagt und dachte eigentlich sie würde es selbst merken, als sie dem Gast hinter mir nach dem Aushändigen des Tablets den Brotkorb von vorne holte, aber dem war nicht so. Naja, passiert halt mal und war nicht weiter tragisch, denn sonst hätte ich ja was sagen können.
Als Nachtisch wählte ich die überschaubare Käseplatte und dazu wurde mir noch ein Brot angeboten. Ich bestellte noch einen Gin und Tonic bevor ich versuchte, ein wenig zu schlafen. Zwei Stunden vor der Landung bin ich aufgewacht und zirka dreißig Minuten später gab es ein kleines Frühstück. Es ging in die Richtung eines Bircher Müslis, aber war mir persönlich etwas zu flüssig. Danach nahm ich noch einen weiteren Kaffee und der Flug ging so langsam seinem Ende entgegen. Vierzig Minuten vor Ankunft begann der Kapitän mit dem Sinkflug und die Anschnallzeichen gingen an.
Das Amenity Kit bedarf keiner besonderen Erwähnung. Es werden nach wie vor die blauen Einkaufsbeutel ausgehändigt mit den unterschiedlichen Städtelogos. Witzigerweise hatten diese die Aufschrift “Premium Economy” und abgesehen vom Sitz, wies dieser Flug wahrscheinlich auch keinen großen Unterschied zum Premium Economy Produkt auf.
Der Inhalt des Amenity Kit besteht aus einer Zahnbürste, Schlafmaske, Ohrstöpseln und Socken, nichts Erwähnenswertes.
Lufthansas “neue” Business Class A350-900 – Fazit
Wie fällt also mein Fazit aus zu der neuen Business Class? Würde ich nur den Sitz bewerten, dann würde ich 3 von 5 Sternen vergeben und eine bessere Note verleihen, sobald man die ganzen Probleme bei den Sitzeinstellungen behoben hat. Leider war dieses doch teilweise etwas störend auf meinem Flug. Bezogen auf das Gesamtprodukt Lufthansa Business Class habe ich mir nach diesem Flug gesagt, dass ich Lufthansa in Zukunft vermeiden werde. Es war einer der schlechtesten Business Class Flüge, an die ich mich in den letzten Jahren erinnern kann. Wie kann man ein Produkt so weit herunterwirtschaften, dass es fast auf dem Niveau eines Low-Cost Carriers angekommen ist? Es bleibt zu hoffen, dass man in der Führungsetage bei der Lufthansa die Probleme irgendwann erkennt und wieder mehr Wert auf Service legt und auf die “echten” Wünsche der Kunden eingeht.
Seid ihr auch schon in der “neuen” Business Class der Lufthansa im A350-900 geflogen? Wie war eure Erfahrung, schreibt es in die Kommentare.
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