In Zeiten der Coronakrise wird aktuell viel darüber diskutiert, ob Airlines stornierte Flüge erstatten müssen oder ob es ausreicht, dem Kunden Gutscheine anzubieten. Diese Frage ist rechtlich inzwischen eindeutig geklärt. Doch wie sieht es eigentlich aus, wenn ihr euren Flug nicht direkt bei der Airline sondern bei einer sogenannten Online Travel Agency (OTA) gebucht habt. Die meisten Airlines verweisen auf ihren Webseiten darauf, dass man sich in diesem Fall an das Online-Reisebüro wenden müsse, bei dem man den Flug gebucht hat. Wir klären euch in diesem Artikel über die Rechtslage auf.
Um kaum eine Frage wird im Moment mehr Verwirrung in den Foren und sozialen Medien gestiftet wie um diese: Muss ich mich für die Erstattung meines stornierten Fluges an die Airline wenden oder an das Reisebüro, bei dem ich gebucht habe? Wie das in sozialen Medien so üblich ist, wird da schnell locker aus der Hüfte geschossen, doch ist die Antwort mit den meisten Likes nicht zwangsläufig auch die richtige – selbst wenn sie einfach und plausibel klingt. Der erste Reflex ist immer, dass man sich an denjenigen wenden muss, mit dem man den Vertrag geschlossen hat. Dann ist die Sache ja klar, denn den Vertrag habt ihr ja mit dem Reisebüro geschlossen – oder doch nicht…
Sonderfall Pauschalreise – Erstattung durch den Veranstalter
Habt ihr eine Pauschalreise gebucht, habt ihr in der Regel den Vertrag mit einem Veranstalter geschlossen. Das muss nicht immer das Online-Reisebüro sein, sondern kann einer der typischen großen Anbieter von Pauschalreisen sein wie Neckermann, ltur, Schauinsland usw. Hier ist entsprechend dieser Veranstalter euer Ansprechpartner. Habt ihr direkt auf der Webseite des Veranstalters gebucht, seid ihr hier also genau richtig.
Regelfall Linienflug – Beförderungsvertrag mit wem?
Für uns dürfte der Regelfall interessanter sein, dass ihr einen normalen Linienflug ohne Extra-Leistungen wie Transfers oder Hotelübernachtungen gebucht habt. Auch wenn ihr den Flug über eine OTA gebucht habt, habt ihr den Beförderungsvertrag mit der Airline geschlossen, denn die OTA’s führen selbst in fast 100% der Fälle keine eigenen Flüge durch. Einen seltenen Sonderfall habe ich einmal gehabt, als ich mit meinem Fußballverein im Europa-Pokal in Madrid war und der Verein über ein Reisebüro einen Sonderflug für die Fans organisiert hat. Hierbei hat es sich um einen Vollcharter-Flug gehandelt und der Beförderungsvertrag ist mit dem Reisebüro zustande gekommen. In so ziemlich allen anderen Fällen ist dagegen die Airline euer Vertragspartner und die OTA’s sind lediglich Vermittler. Ihr schließt also bei der Buchung über eine Online-Plattform gleich mindestens zwei Verträge ab (und sogar noch mehr, wenn ihr euch noch Versicherungen aufschwatzen lasst) – einen Beförderungsvertrag mit einer Airline und einen Vermittlungsvertrag mit dem Online-Reisebüro. Bei einigen dieser Online-Vermittler, wie z.B. bei Expedia, könnt ihr das auf eurer Kreditkartenrechnung auch erkennen. Dort gibt es für eine Flugbuchung nämlich in der Regel zwei Belastungen; zum einen eine Abbuchung von der Airline über den Flugpreis und dann eine meist sehr geringe Belastung von Expedia über die Vermittlungsgebühr.
Noch einfacher ist es übrigens bei Flügen, die der EU-Fluggastrechteverordnung unterliegen, denn diese besagt in Artikel 8 explizit, dass der Passagier den Anspruch auf Erstattung gegenüber der Airline hat.
Airline ist Ansprechpartner bei Erstattung wegen Annullierung
Die alte Regel mit dem Vertragspartner als erstem Ansprechpartner ist also richtig. Es wird nur oft nicht hinreichend geschaut, mit wem der Vertrag denn eigentlich zustande gekommen ist. Tatsächlich ist im Regelfall die Airline zuständig für die Erstattung eurer Ticketkosten, wenn sie den Flug storniert hat. Die Airlines dagegen schicken euch mit Verweis auf den Buchungskanal zumeist direkt wieder zurück zum Reisebüro mit der Begründung, dieses müsse die Erstattung anfordern. Tatsächlich gibt es mit dem Billing and Settlement Plan (BSP) des Weltluftfahrtverbandes IATA ein System, in dem die Ticketverkäufe und Erstattungen zwischen Airlines und Reisebüros hin- und her fließen und das funktioniert auch in normalen Zeiten leidlich gut. Aktuell haben die Airlines diesen Kanal aber einfach gekappt und die Möglichkeit für Reisebüros, Erstattungen im BSP anzufordern, suspendiert. Die OTA’s sind also im Moment gar nicht in der Lage, euch euren Flug zu erstatten, weil die Airlines diesen Kanal einfach nicht mehr bedienen. Das Fatale daran ist, dass man als Kunde den Eindruck bekommt, die OTA’s würden sich nicht um die Erstattung kümmern und man fängt an zu glauben, dass man besser dran wäre, wenn man direkt bei der Airline bucht. Die direkte Buchung bei der Airline mag ihre Vorteile haben – eine reibungslosere Erstattung von stornierten Flügen gehört aber mindestens in der derzeitigen Situation nicht dazu.
Wie bekomme ich denn nun mein Geld bei Annullierung des Flugs?
Der Flugrechtsanwalt Matthias Böse empfiehlt auf seinem Blog, zweigleisig zu fahren und die Erstattung sowohl beim Reisebüro wie auch bei der Airline schriftlich anzufordern. Wenn man gar keine Erstattung haben möchte sondern den Flug einfach nur umbuchen möchte, ist der erste Ansprechpartner die Airline; zum einen weil es schneller geht, zum anderen, weil sich Online-Vermittler für derlei Service gerne mit einer Gebühr bezahlen lassen. Die Zulässigkeit solcher Gebühren ist übrigens mindestens strittig.
Auf der relativ sicheren Seite seid ihr, wenn es sich um einen Flug handelt, der der EU Fluggastrechteverordnung unterliegt. Nicht nur, weil es rechtlich eindeutig ist sondern auch weil die Durchsetzung des Anspruchs leichter sein wird. So nehmen Rechtsdienstleister wie Flightright oder Fairplane in der Regel nur Mandate an, wenn ein Erstattungsanspruch nach VO 261/2004 besteht. Bei Flügen mit Nicht-EU-Airlines, die außerhalb der EU starten, besteht zwar dem Grunde nach ebenfalls ein Erstattungsanspruch, doch ist dieser eben schwieriger durchzusetzen. Handelt es sich um einen Flug mit USA-Bezug, habt ihr immerhin die Möglichkeit, euch beim Department of Transportation (DOT) zu beschweren, das als Aufsichtsbehörde die Möglichkeit hat, Sanktionen gegen Airlines zu verhängen und das auch erst kürzlich noch einmal klargestellt hat, dass die Airlines annullierte Flüge zu erstatten haben.
Airline oder Reisebüro – Wer muss annullierte Flüge erstatten? – Fazit
Der Luftbeförderungsvertrag kommt bei einer Flugbuchung mit der Airline und nicht mit dem Online-Reisebüro zustande. Folglich ist die Airline auch der Ansprechpartner für Erstattungen. Das gilt auch, wenn Airline und Online-Reisebüro Vereinbarungen darüber haben, wie im Falle von Erstattungsanfragen zu verfahren ist – umso mehr, wenn solche Vereinbarungen zu Lasten der Passagiere wie aktuell ins Leere laufen.
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