Ein außergewöhnliches Urteil hat das Landgericht Frankfurt zu der Frage gefällt, ob Streiks immer außergewöhnliche Umstände sind, die einen Entschädigungsanspruch nach der EU-Fluggastrechteverordnung ausschließen. Das LG Frankfurt hat dies verneint und darauf verwiesen, dass die Airline auch bei einem Streik entschädigungspflichtig wird, wenn sie nicht alles probiert hat, um den Flugausfall zu vermeiden. Geklagt hatte das Fluggastrechteportal Flightright für Passagiere des Billigfliegers Ryanair, deren Flug im Sommer 2018 wegen eines Pilotenstreiks ausgefallen war (Aktenzeichen 2-24 O 117/18).
EU Fluggastrechte Streik – Was ist die EU-Fluggastrechteverordnung?
Nach der EU-Fluggastrechteverordnung (EU 261/2004), nach der Airlines Ausgleichszahlungen im Wesentlichen dann leisten müssen, wenn ein in der Europäischer Union (EU) startender Flug oder ein von einer in der EU ansässigen Airline durchgeführter Flug aus einem Drittland in die EU nicht durchgeführt wird oder mit mehrstündiger Verspätung sein Ziel erreicht, ist eine Ausgleichszahlung ausgeschlossen, wenn außergewöhnliche Umstände zum Flugausfall geführt haben. Seither ist sehr vieles von Airlines als außergewöhnlicher Umstand bemüht worden, um sich vor den Ausgleichszahlungen zu drücken, doch waren die Gerichte bisher bei einem Flug, der wegen eines Streiks ausgefallen ist, meist auf der Seite der Airlines.
Unstrittig ist und war auch in diesem Fall, dass die Airline im Falle der Annullierung eines Fluges,
- den vollständigen Ticketpreis erstatten muss oder
- eine anderweitige Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen zum frühestmöglichen Zeitpunkt anbieten muss oder
- eine anderweitige Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen zu einem späteren Zeitpunkt nach Wunsch des Fluggastes, vorbehaltlich verfügbarer Plätze anbieten muss.
Ryanair und der Pilotenstreik – Der aktuelle Fall
Wie Spiegel Online berichtet, hatte Ryanair in der Tat den Ticketpreis erstattet bzw. die Passagiere – wo möglich – auf andere Flüge umgebucht. Unter Hinweis auf den Pilotenstreik weigerte sich die irische Airline aber, Ausgleichszahlungen nach der EU-Fluggastrechteverordnung zu zahlen. Hiergegen zogen “einige Hundert” Ryanair-Passagiere mit Hilfe des Portals Flightright vor Gericht, unter anderem eben auch vor das LG Frankfurt, das bereits im Sommer 2019 einen ähnlichen Fall von Lufthansa zu entscheiden hatte, die nach Kündigung von Tarifverträgen und Ankündigung von Umstrukturierungsmaßnahmen ebenfalls bestreikt wurde. Schon damals entschied das Landgericht Frankfurt zugunsten der Kläger und auch die Begründung ähnelt natürlich der vorherigen Entscheidung. Ein Streik des eigenen Personals sei für eine Fluglinie beherrschbar, weil auch kurzfristige Umplanungen Teil des normalen Wirtschaftsbetriebes einer Airline sind. Anders wäre der Fall sicherlich einzuschätzen, wenn Flughafenpersonal oder die Flugsicherung streiken würde. Hierauf würde die einzelne Airline kaum Einfluss nehmen können, doch ein Streik eigenen Personals sei mit zumutbaren Maßnahmen in den Griff zu kriegen. So urteilten die Frankfurter Richter, Ryanair habe nicht alles Mögliche unternommen, um den Flugausfall abzuwenden. Als Beispiel nennt das Gericht die Möglichkeit, Flugzeuge anderer Anbieter inklusive Crew zu chartern, um den ursprünglichen Flugplan einzuhalten. Daher sei der Streik auch kein außergewöhnlicher Umstand und Ryanair ergo zur Leistung von Ausgleichszahlungen verpflichtet.
EU Fluggastrechte Streik – Welche Folgen hat das Ryanair Urteil für Fluggäste mit annullierten Flügen?
Wie immer muss natürlich darauf hingewiesen werden, dass es sich hierbei um ein erstinstanzliches Urteil handelt, das auch noch nicht rechtskräftig ist. Es ist aber nicht davon auszugehen, dass Ryanair in Berufung gehen wird, denn es ist üblicherweise Strategie der Airlines, unangenehme Urteile nicht in höhere Instanzen zu treiben und so das Risiko gefestigter Rechtsprechung gering zu halten. So hatte auch Lufthansa das Urteil akzeptiert und im nächsten Fall wiederum die Ausgleichszahlungen unter Verweis auf den Streik verweigert. Auch Ryanair hat in derselben Angelegenheit bereits vor dem Amtsgericht Hamburg verloren und dort ebenfalls nicht Berufung eingelegt.
Es gibt auch ein Urteil des EuGH zu einem wilden Streik bei Tuifly, das im Wesentlichen die Auffassung bestätigt, dass Streiks – insbesondere von eigenem Personal – nicht grundsätzlich ein außergewöhnlicher Umstand sind, der Ausgleichszahlungen ausschließt.
EU Fluggastrechte : Ryanair muss Entschädigung auch bei Streik zahlen – Fazit
Airlines werden Ausgleichszahlungen unter Hinweis auf ein fehlendes höchstinstanzliches Urteil auch weiterhin ablehnen – und dabei alles tun, um ein höchstinstanzliches Urteil zu verhindern. Für Passagiere bedeutet das, dass sie abwägen müssen, ob und inwieweit sich eine rechtliche Auseinandersetzung lohnt. Klar ist aber, dass Streiks des eigenen Personals auch in rechtlicher Sicht etwas anderes sind, als ein Landeverbot für Airlines wegen einer Virus-Pandemie.
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