Während man in Europa in Sachen Fluggastrechten weitgehend relativ gut geschützt ist, stellt sich nun die Frage, wie es denn eigentlich außerhalb Europas in Sachen Fluggastrechten aussieht. In diesem Teil der Artikelserie beschäftigen wir uns daher mit der Situation der Fluggastrechte in den USA. Dabei stellt sich schnell heraus, dass das Schutzniveau nicht annähernd an das in der EU heranreichen kann…
Fluggastrechte in den USA – Wann ist die EU-Fluggastrechte-Verordnung anwendbar?
Die Verordnung Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 (kurz: EU-Fluggastrechte-Verordnung oder EU 261/04) regelt die Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung (Überbuchung, Umbuchung), Annullierung, Verspätung sowie bei Downgrades von bestimmten Flügen.
Flüge, welche in einem Mitgliedsstaat im Sinne der EU-Fluggastrechte-Verordnung starten (und zum Beispiel am Zielort USA landen), unterliegen jedenfalls der EU-Fluggastrechte-Verordnung.
Beispiel: Ihr fliegt mit United Airlines von Frankfurt nach New York.
Dies gilt jedenfalls auch bei Anschlussflügen, wenn beide Flüge auf dem gleichen Ticket gebucht sind und von der gleichen Fluglinie durchgeführt werden (EuGH in C-537/17) oder eine Codeshare-Vereinbarung (EuGH in C-502/18) besteht.
Beispiel 1: Ihr fliegt mit United Airlines von München über New York nach Houston.
Beispiel 2: Ihr fliegt mit Lufthansa von Frankfurt nach Houston und von dort mit United Airlines weiter nach Bogota.
Ebenfalls umfasst sind Flüge, die in einem Drittstatt (wie etwa den USA) starten und in einem Mitgliedsstaat als Zielort landen, sofern der Flug durch eine Fluglinie eines Mitgliedsstaates durchgeführt wird.
Beispiel: Ihr fliegt mit Lufthansa von New York nach Frankfurt. Würdet ihr diese Strecke hingegen mit United fliegen, würde der Flug nicht der EU-Fluggastrechte-Verordnung unterliegen.
Als Mitgliedsstaat zählen dabei nicht nur die EU-Mitgliedstaaten, sondern auch die EWR-Staaten (Island, Liechtenstein, Norwegen), die Schweiz sowie einige Überseegebiete (Madeira, Kanaren, Azoren, Guadaloupe, Französisch-Guyana, Réunion, Saint-Barthélemy, Saint-Martin und Martinique; nicht jedoch Isle of Man, Gibraltar, Faröer).
Umfasst sind sowohl mit Geld als auch mit Flugmeilen gebuchte Flüge, nicht jedoch der Öffentlichkeit nicht zugängliche, verbilligte oder kostenlose Tickets wie etwa Standby-Tickets für Fluglinienmitarbeiter. Wichtig ist, dass Ihr über eine Buchungsbestätigung des betroffenen Fluges verfügt.
Fluggastrechte in den USA – Wann ist das Montrealer Übereinkommen oder das Warschauer Abkommen anwendbar?
Die rechtlichen Regelungen zur Beschädigung von Gepäck oder Verspätung von Gepäck finden sich im Übereinkommen zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr von 1999 (kurz: Montrealer Übereinkommen bzw. MÜ). Das Montrealer Übereinkommen hat das Warschauer Abkommen von 1929 ersetzt.
Das Montrealer Übereinkommen wurde – Stand Oktober 2019 – von 136 Staaten ratifiziert, darunter auch sämtliche Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, die Vereinigten Staaten von Amerika, Kanada oder China. Eine genaue Auflistung der derzeitigen Vertragsstaaten findet ihr hier auf der ICAO-Webseite.
Der Anwendungsbereich
Damit das Montrealer Übereinkommen zur Anwendung kommt, muss sowohl der Abflug- als auch der Ankunftsort des Fluges (am Endziel) in einem Vertragsstaat liegen. Ist dies nicht der Fall, kann alternativ das Warschauer Abkommen (gegebenenfalls samt etwaigen Zusatzprotokollen) zur Anwendung kommen, wenn beide Staaten dieses ratifiziert haben.
Beispiel: Ihr fliegt von den USA auf die Bahamas. Das Montrealer Übereinkommen findet seit 2003 Anwendung auf die USA, auf den Bahamas ist es bisher hingegen noch nicht in Kraft getreten. Das MÜ kann daher nicht zur Anwendung kommen. Beide Staaten haben jedoch das Warschauer Abkommen samt Haager Zusatzprotokoll ratifiziert, welches damit anwendbar ist.
Zudem muss es sich um eine internationale Beförderung von Personen, Reisegepäck und Gütern durch Luftfahrzeuge handeln, grundsätzlich egal ob entgeltlich oder unentgeltlich. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass reine Inlandsflüge (ohne Zwischenstopp im Ausland) grundsätzlich nicht vom Anwendungsbereich des Übereinkommens umfasst sind.
Fluggastrechte in den USA – Inlandsflüge in den USA sowie internationale Flüge mit amerikanischen Fluglinien (exkl. ab Europa)
Während das amerikanische Department of Transportation eine Regelung zur Entschädigung in Fällen unfreiwilliger Nichtbeförderungen in Folge von Überbuchungen erlassen hat, gibt es keine gesetzliche Regelung zu Fluggastrechten bei Flugannullierungen oder Flugverspätungen. Ob und welche Ersatzleistungen in einem solchen Fall angeboten werden, hängt von den jeweiligen Beförderungsbedingungen bzw. dem Beförderungsvertrag mit der jeweiligen Fluglinie ab.
Nichtbeförderungen
Im amerikanischen Code of Federal Regulations finden sich vom Department of Transportation erlassene Verordnungen für den Fall der unfreiwilligen Nichtbeförderung in Folge einer Überbuchung. Die Regelungen finden Anwendung auf Flüge innerhalb der USA sowie auf internationale Nonstop-Flüge, welche von den USA ausgehen.
Zunächst müssen die Fluglinien versuchen, mittels Kompensationsangeboten Freiwillige zu finden, die auf den Flug verzichten. Finden sich keine Freiwilligen, so kann es zur unfreiwilligen Nichtbeförderung (Denied Boarding) kommen. Die Höhe der Entschädigung variiert hier danach, wann der betroffene Passagier mit einem Ersatzflug an seinem Zielort ankommt:
- Keine Kompensation, wenn der Ersatzflug nicht später als 1 Stunde nach der geplanten Ankunftszeit des ursprünglichen Fluges am Ziel ankommt
- 200% des Ticketpreises, maximal jedoch $675, wenn der Ersatzflug a. (Inlandsflüge) später als 1 Stunde, aber nicht später als zwei Stunden oder b. (Internationale Flüge ab den USA) später als 1 Stunde, aber nicht später als vier Stunden nach der geplanten Ankunftszeit des ursprünglichen Fluges am Ziel ankommt
- 400% des Ticketpreises, maximal jedoch $1.375, wenn kein Ersatzflug angeboten wird oder der Ersatzflug später als a. (Inlandsflüge) zwei Stunden oder b. (Internationale Flüge ab den USA) vier Stunden nach der geplanten Ankunftszeit des ursprünglichen Fluges am Ziel ankommt
Die Fluglinie kann dem betroffenen Passagier statt einer monetären Entschädigung auch eine Entschädigung in Form von Fluggutscheinen bieten, sofern der Wert dieser zumindest gleichwertig oder höher als die monetäre Entschädigung ist. Der Passagier kann dies aber ablehnen und auf die monetäre Entschädigung bestehen.
Im Fall eines Downgrades in eine niedrigere Beförderungsklasse steht dem betroffenen Passagier die Rückerstattung der Preisdifferenz zu.
Die Fluglinien sind verpflichtet, die Kompensation direkt am Flughafen auszuzahlen oder – falls sich dies zeitlich auf Grund des Ersatzfluges nicht ausgeht – ansonsten binnen 24 Stunden ab der Beförderungsverweigerung.
Voraussetzung ist, dass ihr eine bestätigte Buchung habt, rechtzeitig eingecheckt sowie am Gate erschienen seid und über die notwendigen Reisedokumente verfügt.
Flugannullierungen und Flugverspätungen
American Airlines
Im Falle einer Flugannullierung oder einer Flugverspätung, die zu einem Verpassen des Anschlussfluges führen würde, bucht euch American Airlines automatisch kostenlos auf den nächsten verfügbaren Flug mit freien Sitzplätzen um. Sollte die Annullierung oder Verspätung auf der Sphäre von American Airlines beruhen, werden bei Bedarf auch Hotelkosten für eine Übernachtung bis zum nächstmöglichen Flug übernommen. Solltet ihr euch in Folge der Annullierung oder Verspätung dazu entscheiden, die Flugreise nicht mehr anzutreten, erhält ihr den Ticketpreis sowie etwaige bezahlte Zusatzgebühren zurückerstattet. Die vollständigen Conditions of Carriage von American Airlines findet ihr hier.
Delta Airlines
Im Falle einer Flugannullierung, einer Flugverspätung über 90 Minuten oder einer Flugverspätung, die zu einem Verpassen des Anschlussfluges führen würde, bucht euch Delta Airlines automatisch kostenlos auf den nächsten verfügbaren Flug mit freien Sitzplätzen um.
Sofern die Annullierung oder Verspätung nicht auf höherer Gewalt basiert und es zu einer Reiseunterbrechung von über 4 Stunden seit der ursprünglich geplanten Abflugzeit kommt, trägt Delta die Kosten für eine Hotelübernachtung bei einer Partnerunterkunft. Voraussetzung ist ferner, dass die Verspätung bzw. Wartezeit bis zum Ersatzflug in den Zeitrahmen zwischen 22:00 und 06:00 Uhr fällt. Sollte kein Platz im Partnerhotel mehr verfügbar sein, erhält man einen Delta Fluggutschein im Wert der Hotelrate, maximal aber im Wert von 100 USD.
Delta kann euch auch auf einen Flug einer anderen Fluglinie oder ein anderes Transportmittel umbuchen, sofern dies für euch zumutbar ist.
Solltet ihr euch in Folge der Annullierung oder Verspätung dazu entscheiden, die Flugreise nicht mehr anzutreten, erhält ihr den Ticketpreis sowie etwaige bezahlte Zusatzgebühren zurückerstattet.
Den vollständigen Contract of Carriage von Delta findet ihr hier.
United Airlines
Im Falle einer Flugannullierung oder einer Flugverspätung, die zu einem Verpassen des Anschlussfluges führen würde, bucht euch United Airlines automatisch kostenlos auf den nächsten verfügbaren United-Flug mit freien Sitzplätzen um. United kann euch auch auf einen Flug einer anderen Fluglinie umbuchen sowie – eure Zustimmung vorausgesetzt – auf ein anderes Transportmittel.
Sofern eine mehr als vierstündige Verspätung innerhalb des Zeitraumes von 22:00 bis 06:00 Uhr fällt und nicht außerhalb der Kontrolle von United Airlines war, organisiert United eine kostenlose Hotelübernachtung oder bietet alternativ auf Passagieranfrage einen United Fluggutschein in von United festzulegender Höhe.
Solltet ihr euch in Folge der Annullierung oder Verspätung dazu entscheiden, die Flugreise nicht mehr anzutreten, erhält ihr den Ticketpreis sowie etwaige bezahlte Zusatzgebühren zurückerstattet.
Bei einer signifikanten Verspätung werden Snacks und Getränke oder Essensgutscheine verteilt. Wer sich auf eigene Rechnung anderweitig Verpflegung kauft, erhält diese nicht nachträglich vergütet.
Den vollen Contract of Carriage von United findet ihr hier.
Gepäckbeschädigungen und Gepäckverspätungen:
Für Inlandsflüge in den USA finden sich die Haftungsregeln für Gepäck auch jeweils in den Contracts/Conditions of Carriage. Sowohl United, als auch Delta und American Airlines setzen hier eine betragliche Haftungshöchstgrenze in Höhe von 3.500 USD fest – darüber hinaus sind aber zahlreiche Einschränkungen zu beachten, so werden etwa in der Regel Schäden an im Aufgabegepäck transportierten Kunstwerken oder Schmuck nicht übernommen. Im Detail lohnt es sich daher jedenfalls in die jeweiligen Bestimmungen zu blicken.
Flugverspätungen auf internationalen Flügen ab den USA
Die USA sind ein Vertragsstaat des Montrealer Übereinkommens. Im Montrealer Übereinkommen ist auch die Verspätung von Fluggästen geregelt. Da das Montrealer Übereinkommen nur auf internationale Flüge anzuwenden ist, finden die Verspätungsregelungen somit keine Anwendung auf Inlandsflüge in den USA.
Beim MÜ muss im Gegensatz zur EU-Fluggastrechte-Verordnung der durch die Verspätung entstandene Schaden konkret nachgewiesen werden. Der Höhe nach ist der Schadenersatz beim MÜ mit 4.694 SZR (umgerechnet derzeit 5.847€) beschränkt. Eine Mindestdauer der Verspätung gibt es nicht. In der Praxis wird sich dieser Nachweis nicht immer leicht gestalten.
Rechtsdurchsetzung
Im Falle einer Nichtbeförderung wegen Überbuchung oder der Kompensation bei einem Downgrade könnt ihr euch, nachdem ihr euch zunächst erfolglos an die Fluglinie selbst gewandt habt, mit einer entsprechenden Beschwerde an das U.S. Department of Transportion wenden. Den entsprechenden Link findet ihr hier. Dazu, ob das DoT sich auch schlichtend mit Streitigkeiten ausschließlich auf Basis des Beförderungsvertrages auseinandersetzt, liegen uns keine Erfahrungswerte vor, würden wir aber tendenziell eher nicht erwarten.
Fluggastrechte in den USA – Fazit
Die EU und die USA trennen in Sachen Fluggastrechte wahrlich Welten – während hierorts durch die Regulierung auf EU-Ebene für einen guten Schutz für Flugreisende gesorgt wurde, schlägt das Pendel in den USA in die gegenteilige Richtung und überlässt man dies gerade im Bereich der Verspätungen und Annullierungen der Privatautonomie – im überwiegenden Interesse der Luftfahrtunternehmen, die in diesen Fällen keine Entschädigung zahlen müssen.
Habt ihr bereits Erfahrungen mit Kompensationen bei amerikanischen Fluglinien? Teilt Sie uns gerne mit!
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