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11. Mai 2020 Lothar 6 Sonstiges

Kurzstrecken streichen – Richtig oder reiner Populismus?

Wer derzeit wie wir interessiert die Berichterstattung über die Staatshilfe(n) für die Lufthansa Group verfolgt, wird bereits öfter über die Forderung einer Koppelung an ökologische Maßnahmen, wie die Reduktion oder gar Streichung von Kurzstreckenflügen, gelesen haben. Es ist kein ganz neues Thema – bekanntermaßen musste die Luftfahrt bereits seit längerem in Klimadebatten als Bösewicht herhalten und Kurzstreckenflüge wurden von Klimaschützern, aber auch von einigen Politikern besonders negativ gebrandmarkt. Stellt sich nun also die Frage – wäre es richtig, Kurzstrecken zu streichen, oder ist das reiner Populismus?

Kurzstrecken streichen – Allgemeines

Zunächst gilt es zu klären, wie Kurz-, Mittel- und Langstrecken denn eigentlich bestimmt werden. Eine einheitliche Definition gibt es dazu tatsächlich nicht, weder an der Distanz, noch an der Flugdauer gemessen. Man kann sich aber zum Beispiel an den Angaben der Eurocontrol orientieren, wonach Flüge unter 1.500km Flugstrecke als Kurzstrecke zu sehen sind, Flüge zwischen 1.500km und 4.000km als Mittelstrecke und Flüge über 4.000km als Langstrecke.

Das Kernargument ist, dass Kurzstrecken besonders umweltschädlich seien. Dies liege zum einen daran, dass bei Start und Landung am meisten CO² ausgestoßen wird und somit bei Kurzstreckenflügen mehr CO² pro Kilometer als bei Mittel- oder Langstreckenflügen emittiert wird. Zum anderen bestünden bei Kurzstreckenflügen mit der Bahn oftmals viel umweltschonendere Alternativen. Soweit die Theorie.

Kurzstrecken streichen – der Umwelt zuliebe?

Liest man sich die Forderungen durch, könnte man den Eindruck gewinnen es wäre ein leichtes, einfach sämtliche Flugreisen auf der Kurzstrecke auf die Bahn zu verlegen. Die Realität ist natürlich eine andere und es gilt zu differenzieren.

Zweck der Flugreise und Dauer der vermeintlichen Alternative

Je kürzer die Bahnfahrt auf der gleichen Strecke ist, umso eher kann diese eine Alternative darstellen. Beispiel: Der 40 Minuten lange Flug von Nürnberg nach München (Ersatz: 70 Min. Bahnfahrt) wird eher verzichtbar sein als der 90 Min. lange Flug von Wien nach Hamburg (Ersatz: 9 Std. Bahnfahrt).

Dazu kommt der Zweck der Flugreise – während bei einer privaten Reise mit längerem Aufenthalt eine längere Zugfahrt noch eher zumutbar sein könnte, wird dies bei Geschäftsreisen in aller Regel nicht der Fall sein. Bei der Geschäftsreise gilt es möglichst schnell am Ziel und wieder zurück zu sein, was in vielen Fällen mit Zugfahrten einfach nicht realisierbar ist. Auch das Kostenargument (in der Regel sehr teure Flüge zu den klassischen Dienstreisezeiten wie Montagfrüh) überzeugt nicht wirklich. Um die Zeit der Bahnfahrt produktiv (arbeitend) zu nutzen, wird wohl bereits ein 1. Klasse Ticket notwendig sein. Am Vormittag beginnende Geschäftstermine werden mit Zugfahrten am gleichen Tag in aller Regel nicht erreichbar sein, wodurch eine Anreise am Vortag erforderlich würde, was wiederum zu zusätzlichen Nächtigungs- und Verpflegungskosten führen würde (gerade wenn eine Anreise etwa auf einen Sonntag fallen würde).

Schließlich stellt sich auch das Problem der Infrastruktur – ein Hochgeschwindigkeitsbahnnetz wie in Japan dürfte in Europa wohl kaum realisierbar sein, vor allem nicht grenzüberschreitend. Und selbst dann gäbe es wohl nur eine bestimmte Anzahl an Zügen, welche die vorhandenen Gleise innerhalb bestimmter Intervalle nutzen könnten, ein Fahrthindernis hätte wiederum riesige Auswirkungen auf alle nachkommenden Züge. Die derzeitigen Kapazitäten dürften jedenfalls keinesfalls ausreichen. Aus eigener Erfahrung weiß ich zu berichten, dass etwa die Züge von Wien nach München regelmäßig in der ersten Klasse vollkommen überfüllt sind und Leute tatsächlich einen Teil der Strecke stehend oder am Boden sitzend verbringen (müssen). Dabei handelt es sich aber um eine Anekdote und ich möchte klar anmerken,  dass wir keine Bahnexperten sind – falls ihr zum Thema (Ausbau der) Bahn-Infrastruktur berufliches Fachwissen besitzt, würden wir uns über eure Ausführungen in den Kommentaren freuen!

Ohne Kurzstrecken-Zubringerflüge keine Langstrecke

Was in der Diskussion gerne übersehen wird – die wenigsten Leute nutzen die kürzesten Kurzstreckenflüge einfach nur zum Spaß. Viel mehr weisen diese Flüge einen überwiegenden Anteil an Transferpassagieren auf – Passagiere, die am Zielflughafen lediglich umsteigen, um von dort zu ihrem Endziel weiterzufliegen. In der Regel handelt es sich dabei um Zubringerflüge zu Langstreckenflügen. Tatsächlich basiert die Langstreckenstrategie von Hub Carriern (Fluglinien, die einen Flughafen als Heimatbasis und Drehkreuz verwenden, z.B. Lufthansa in München und Frankfurt) darauf, Zubringerflüge aus anderen und/oder kleineren Flughäfen zu nutzen, um damit die Langstreckenflugzeuge am eigenen Hub zu füllen. So kommt es, dass der Anteil der Transferpassagiere auf vielen Langstreckenflügen höher als der Anteil der Passagiere ist, die Point-to-Point fliegen. Würde man die Kurzstrecken- und somit Zubringerflüge einfach ersatzlos streichen, würden viele Langstreckenflüge entsprechend halb leer bleiben und könnten somit nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden. Ein Downsizing der Langstreckenoperationen auf wenige Routen, die auch fast ausschließlich im Point-to-Point-Verkehr betrieben werden können und ein entsprechender Konnektivitätsverlust wären wohl die Folge.

db ice lufthansa express rail
In Zukunft auf der Kurzstrecke nur noch mit dem Zug?

Zubringerflüge auf die Bahn zu verlegen wird nur dort eine mögliche Alternative darstellen, wo die Dauer der Zugfahrt nicht länger als zwei bis drei Stunden ist und die Weiterflüge mit ausreichend Puffer erreicht werden können. Dies spielt insbesondere bei den Flügen nach Amerika eine Rolle, die in aller Regel so getaktet sind, dass sämtliche Abflüge im Laufe des Vormittags stattfinden. Diese Flüge könnte man bei einer entsprechenden Anbindung auch mit einer zweistündigen Zubringerzugfahrt erreichen, darüber hinaus aber nicht. Voraussetzung wäre vor allem auch die Anbindung der Flughäfen an das Bahnnetz – wenn man zunächst am Hauptbahnhof einer Stadt ankommt und dann erst noch über eine Stunde mit einem Bus oder einer Schnellbahn zum Flughafen fahren muss, ist das ganze auch wieder zwecklos. In diesem Fall würde erst wieder ein negativer Effekt eintreten, nämlich die Verlagerung auf den ebenso schädlichen Straßenverkehr. Es würde daher m.E. auf jeden Fall einen Sinn machen, weiterhin auch bei Strecken im oder knapp über dem “Grenzbereich” von 2-3 Stunden entsprechend getaktete Zubringerflüge anzubieten.

Wenn daher aktuell als “Gegenleistung” für Staatshilfen, deren Zweck es ist, die Unternehmen erfolgreich durch die Krisenzeit zu führen, auch ökologische Maßnahmen in Form einer Reduzierung/Streichung von Kurzstreckenflügen gefordert wird, würde man sich damit viel mehr ins eigene Fleisch schneiden, weil man damit erst wieder die Langstreckenflüge, für die Fluglinien oft einer der profitabelsten Bereiche, kannibalisieren würde.

Welche ökologischen Maßnahmen würden Sinn machen?

Die Streichung oder Reduzierung von Kurzstreckenflügen kann wie gesagt dort Sinn machen, wo es wirklich zumutbare Alternativen gibt. Der Grundgedanke basiert aber dennoch darauf, dass Fliegen etwas schlechtes sei und deshalb weniger geflogen werden soll. M.E. ist das eine ziemlich regressive, negative Sicht der Dinge. Die meisten Fluglinien gehen derzeit von einer Rückkehr auf das Vor-Corona-Niveau um das Jahr 2023 herum aus, gefolgt von einer Fortsetzung des massiven Wachstums in den nächsten Jahrzehnten. Zudem kann man die immer stärkere Vernetzung unseres Planeten, der verschiedenen Länder und Kulturen, durchaus als positiven Effekt der Globalisierung sehen. Ich finde daher eine Herangehensweise nach dem Motto “gestalten und optimieren statt einschränken” deutlich sinnvoller und realitätsnäher. Die oberste Maxime sollte daher sein (und ist es auch), die Luftfahrt und dessen Wachstum umweltfreundlicher zu gestalten. Dazu gehört die massive Förderung und mittel- bis langfristig verpflichtende Beimischung von alternativen, umweltfreundlichen Treibstoffen (Sustainable Aviation Fuel), die Optimierung und Verschärfung des Emmissionshandels bzw. der CO²-Kompensation (ETS und CORSIA) sowie endlich die Realisierung eines Single European Sky, um die jeden Tag anfallenden, vollkommen unnötigen Extra-Flugkilometer zu reduzieren. Auf diese Maßnahmen werden wir in einem zukünftigen Artikel genauer eingehen.

Kurzstrecken streichen – Fazit

Es kann durchaus Sinn machen, die kürzesten Kurzstreckenflüge einzustellen oder zu reduzieren, wenn es eine akzeptable Alternative in Form einer sehr guten Bahnanbindung gibt. Dazu bräuchte es aber zunächst einerseits eine verstärkte Kooperation zwischen der Bahn und den Fluglinien, eine direktere und bessere Anbindung an die Flughäfen und einen deutlichen allgemeinen Ausbau der Bahninfrastruktur. Die generelle Forderung nach der Abschaffung von Kurz- oder gar auch Mittelstreckenflügen ist m.E. hingegen einfach reiner Populismus – eine einfach klingende Lösung, die nahezu unmöglich ist, jedenfalls aber massive, negative Konsequenzen mit sich brächte. Wenn dann bräuchte es ohnehin eine Lösung auf europäischer Ebene – würde etwa eine Lufthansa den Großteil ihrer Zubringerflüge auf nationale Anordnung hin einfach einstellen, würde die Lücke schnell von ausländischen Fluglinien geschlossen werden und die Passagiere über deren Drehkreuze geleitet werden.

Was ist eure Meinung zu diesem Thema? Lasst es uns in den Kommentaren wissen!

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