Ende 2023 erhält Lufthansa aktuellen Planung zu Folge die erste von insgesamt 20 Boeing 777-9, zukünftig das größte zweistrahlige Passagierflugzeug der Welt. In diesem Artikel beleuchten wir neben den technischen Details zu dem neuen Flugzeug vor allem auch, welche Rolle die 777-9 bei Lufthansa einnehmen wird. Soviel sei schon verraten: mit der Boeing 777-9 ändert sich bei Lufthansa so einiges.
Lufthansa Boeing 777-9 – Erstflug
Ursprünglich sollte der Erstflug der Boeing 777-9 Ende 2017 stattfinden und die erste Auslieferung 2019 erfolgen. Aufgrund von Problemen mit den Triebwerken als auch der 737 MAX Krise kam es allerdings mehrmals zu Verspätungen. Im Januar 2020 fand dann schließlich der Erstflug statt. Doch seither kam es erneut zu Rückschlägen im Zulassungsprozess – die amerikanische FAA schaut bei der Zertifizierung nunmehr besonders genau hin. Die erste Auslieferung ist momentan für Ende 2023 geplant, eine weitere Verspätung auf 2024 erscheint aktuell aber wahrscheinlich.

Als Erstkunde galt lange Zeit eigentlich Lufthansa, inzwischen ist allerdings Emirates in die Rolle des Erstkunden geschlüpft. Ursprünglich hatte Lufthansa 34 Boeing 777-9 bestellt, 2019 wurde die Bestellung in 20 Fixbestellungen und 14 Optionen umgewandelt. Ein noch spezifischeres Datum (Tag/Woche/Monat) der Lufthansa Boeing 777-9 Erstauslieferung ist bisher nicht bekannt und wird maßgeblich von den Flugtests abhängen, allerdings sollen sämtliche 777-9 eigentlich bis Ende 2025 entgegengenommen werden.
Weitere Kunden sind neben Lufthansa und Emirates auch noch ANA, British Airways, Cathay Pacific, Etihad sowie Qatar Airways und Singapore Airlines.
Lufthansa Boeing 777-9 – Technische Daten
Die Boeing 777-9 wird die Boeing 777-300ER als größtes zweistrahliges Passagierflugzeug ablösen. Die wesentlichen Unterscheidungsmerkmale und Neuerungen sind:
- Rumpflänge von 76,7 Metern (3 Meter länger)
- Flügelspannweite von 71,8 Metern (7 Meter länger)
- Aufklappbare Flügelspitzen
- Übernahme einiger Features der 787-Reihe wie etwa größere Fenster oder moderne Beleuchtung
- Geringerer Treibstoffverbrauch auf Grund der neuen, massiven Triebwerke (der Durchmesser entspricht nahezu dem Rumpf einer 737)
- Platz für breitere Sitze (18 Inch) dank dünneren Kabinenwänden
Die markanten aufklappbaren Flügelspitzen sind dabei kein bloßer Marketinggag, sondern auf Grund der außerordentlichen Länge der Flügel tatsächlich erforderlich – andernfalls würde das Flugzeug nicht in reguläre Flughafengates passen. Als Passagier profitiert man in erster Linie von den größeren Fenstern und gerade in der Economy Class auch von den breiteren Sitzen. Das bei den bisherigen 777 oftmals gefürchtete 3-4-3 Sitzlayout in der Economy Class dürfte sich mit der 777-9 endgültig durchsetzen, auf Grund der breiteren Kabine aber nicht mehr allzu unkomfortabel sein. Laut Boeing sollen 349 (typische Drei-Klassen-Konfiguration) bzw. 426 (typische Zwei-Klassen-Konfiguration) Passagiere an Bord der 777-9 Platz haben. In der Praxis wird das Ganze dann vermutlich noch mal anders aussehen, da Fluglinien wie Air France oder Air Canada bereits jetzt über 450 Passagiere in einigen ihrer 777-300ER befördern.

Lufthansa Boeing 777-9 – Neue Business Class und Kabinenupdates
Lufthansa nimmt die Einflottung der Boeing 777-9 zum Anlass die angebotenen Beförderungsklassen zu modernisieren.
(Vorerst?) Keine First Class
Die ersten ausgelieferten Boeing 777-9 der Lufthansa dürften nach dem aktuellen Stand der Dinge über keine First Class verfügen. Nun ist das First-Kontingent durch die krisenbedingte Ausflottung des A380 sowie des A340-600 um Einiges gesunken – in Frankfurt verfügen nur noch die 747-8 über eine First Class und München musste bis zuletzt ganz ohne First Class auskommen – da die Nachfrage aber offenbar doch existiert, werden fünf A340-600 wieder reaktiviert. Und schließlich sollen nunmehr auch einige A350-900 mit einer auf vier Plätze verkleinerten First Class ausgeliefert werden – ab 2023 und mit neuem “First Class Suite”-Produkt. Da die Boeing 777-9 für Lufthansa doch so etwas wie ein Flaggschiff darstellen dürfte, wäre es schon verwunderlich, wenn tatsächlich bei allen 20 Maschinen auf eine First Class verzichtet werden würde.
Neue Business Class
Bereits im Jahr 2017 kündigte Lufthansa an, das Business Class Produkt mit Einflottung der Boeing 777-9 grundlegend erneuern zu wollen und veröffentlichte hierzu auch bereits Renderings. Darauf ist ein Layout mit einer abwechselnden 1-2-1 und 1-1-1 (mit “Thron”-Sitz in der Mitte) Bestuhlung zu sehen. Die Kabine selbst ist in Blau- und Grautönen gehalten. Für Schlagzeilen und teilweise auch Spott sorgte damals unter Anderem, dass Skytrax alleine die Ankündigung der neuen Business Class zum Anlass nahm, Lufthansa als erste europäische Fluglinie zu einer Skytrax 5-Star-Airline zu küren.

Lange Zeit wurde spekuliert, dass es Produktvariationen innerhalb der neuen Business Class geben könnte – etwa in Form einer Premium Business Class im vorderen Kabinenteil mit zusätzlicher Privatsphäre. Um diese Gerüchte ist es in den vergangenen Monaten und Jahren jedoch wieder stiller geworden.

Diese Spekulationen kommen aber natürlich nicht aus dem Nirgendwo – Lufthansa ist einerseits dafür bekannt, in den letzten Jahren auch bei den höheren Beförderungsklassen verstärkt auf Monetisierung gesetzt zu haben (kostenpflichtige Sitzplatzreservierungen in der Premium Economy oder bei den “Thron”-Sitzen in der Business Class) und andererseits sind die bekannten Renderings der neuen Business Class inzwischen auch schon vier Jahre alt. In diesen vier Jahren sind neue Produkte auf den Markt gekommen und haben die Latte nochmal höher gelegt – etwa die “The Room”-Business Class der japanischen ANA oder die Qsuite von Qatar Airways (Review: Qatar Airways Qsuite in Zeiten von Corona). Es bleibt also spannend, wie das neue Business Class Produkt dann endgültig aussehen wird.
Sollte sich die Auslieferung der ersten 777-9 nochmal verspäten – was aktuell nicht allzu unrealistisch scheint – könnte die Premiere der neuen Business Class der 777-9 überhaupt entrissen werden – dann gäbe es das neue Produkt vielleicht schon ab 2022 in den neuen 787-9 Dreamlinern (die fünf noch 2021 erwarteten Dreamliner der Lufthansa dürften ja ein anderes “Übergangsprodukt” haben) oder ab 2023 in der nächsten A350-Tranche.
Neue Premium Economy
Mit der Einflottung der ersten Lufthansa Boeing 777-9 geht außerdem die Einführung eines neuen Premium Economy Sitzes bei der Lufthansa Mainline einher, wie die Fluglinie bereits im Jahr 2019 ankündigte. Die Premiere des neuen Sitzes hat die 777-9 bereits verpasst, denn der neue Sitz wird seine Premiere nunmehr in den Boeing 777-300ER der Swiss feiern (SWISS Premium Economy Class offiziell vorgestellt). Wegen der zu Grunde liegenden Produktharmonisierung innerhalb der Lufthansa Group ist davon auszugehen, dass die Sitze auch in der zukünftigen Langstreckenflotte der Austrian Airlines eingebaut werden.
Bei den neuen Sitzen handelt es sich – im Gegensatz zu den klassischen Reclinern bei der bisherigen Premium Economy – um sogenannte Hartschalensitze. Das bedeutet, dass man sich nicht mehr in den “Freiraum” der hinteren Passagiers zurücklehnt, sondern der Sitz bei Neigung nach vorne gleitet. Die Meinungen über den Komfort derartiger Sitze, wie sie etwa bereits bei Aeroflot oder Air France installiert sind, sind doch eher negativ. Da dies den Verantwortlichen der Lufthansa Group kaum entgangen sein dürfte, wird es interessant, ob die zukünftigen Premium Economy Sitze in dieser Hinsicht vielleicht andere, komfortsteigernde Neuigkeiten bieten.

Schließlich gab es eine Zeit lang auch noch Gerüchte über eine “Economy Plus Class”, welche einen höheren Sitzabstand sowie eine weiter nach hinten verstellbare Rückenlehne bieten sollte. Doch ähnlich wie bei der Premium Business Class ist es auch um die Economy Plus Class ruhig geworden. Stattdessen scheint Lufthansa zukünftig auf eigene Schlafreihen in der Economy Class zu setzen (Lufthansa bringt Sleeper’s Row im Sommer auf den Markt).
Lufthansa Boeing 777-9 – Stationierung & Strecken
Bekannt ist, dass die ersten Boeing 777-9 der Lufthansa in Frankfurt stationiert werden sollen. Welche Strecken die 777-9 übernehmen wird, ist noch nicht bekannt – auf Grund der großen Kapazität des Flugzeugs wäre es aber naheliegend, wenn vor allem bisherige A380-Routen übernommen werden.
Lufthansa Boeing 777-9 – Fazit
Die Markteinführung eines neuen Flugzeugtyps ist immer außerordentlich spannend. Auch wenn es sich bei der 777-9 (sowie der 777-8, falls sie auf Grund fehlender Nachfrage nicht noch eingestampft wird) eigentlich “nur” um eine neue Generation der 777-Serie handelt, steht dennoch viel auf dem Spiel. Boeing ist nach der 737 MAX Krise definitiv angeschlagen und dies wird sich auch bei der Zertifizierung der neuen 777-9 zeigen – die Europäische Agentur für Flugsicherheit (EASA) hat bereits angekündigt, das neue Flugzeugmodell eingehend prüfen zu wollen und sich nicht wie bisher im Rahmen eines “gegenseitigen Vertrauens” auf die amerikanische FAA verlassen zu wollen. Auch die FAA selbst scheint diesmal besonders genau hinzusehen, was die Dauer der Zertifizierung und damit den Markteintritt der 777-9 nochmal verzögern könnte. Spannend sind aber natürlich auch die diversen neuen Features. Wir können es jedenfalls kaum erwarten, sowohl das neue Flugzeug an sich als auch das neue Lufthansa Produkt testen zu können!
Was ist eure Meinung zur Boeing 777-9 und dem zukünftigen Lufthansa Bordprodukt?
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