In diesem Teil unserer ‘Zweistrahler im Portrait’-Reihe geht es mit der Boeing 757 um ein Flugzeug, das seiner Zeit voraus war – und heutzutage abseits der Vereinigten Staaten kaum noch am Himmel zu finden ist. Neben der Entstehungsgeschichte und den Varianten der 757 sehen wir uns auch an, bei welchen Fluglinien man heuzutage in Europa noch mit der 757 fliegen kann.
Die Boeing 757 – Entstehungsgeschichte
Im Laufe der 1970er Jahre begann der amerikanische Flugzeughersteller sich Gedanken über die Zukunft seiner Boeing 727 zu machen. Das dreistrahlige Kurz- und Mittelstreckenflugzeug war erstmals 1964 in Dienst gestellt worden und hatte sich als großer Verkaufserfolg erwiesen. Die verlängerte Boeing 727-200 Advanced war bei den Fluglinien auf Grund der erhöhten Kapazität und Reichweite besonders beliebt. Zunächst dachte Boeing daran, den Dreistrahler nochmals zu verlängern und stellte potentiellen Kunden das Konzept einer solchen 727-300 vor. Parallel dazu gab es auch noch einen deutlich aufwendigeren Alternativvorschlag – eine gänzliche Neuentwicklung mit nur zwei Triebwerken, modernerer Technik und dem Codenamen 7N7. In frühen Konzepten der Boeing 7N7 war dabei für das Flugzeug noch ein T-Leitwerk wie bei der 727 vorgesehen (Fotos findet ihr über die Google Bildersuche).

Es kam wie es kommen sollte – das Konzept einer nochmals “aufgewärmten” 727 konnte nicht genug Fluglinien begeistern, das Konzept einer 7N7 hingegen schon. Das Konzept wurde weiter ausgearbeitet und zunehmend mit einem weiteren Projekt von Boeing verknüpft – der Boeing 7X7 (später 767). Durch die gemeinsame Entwicklung der beiden Flugzeugtypen sollten Kosten gespart und Entwicklungsrisiken minimiert werden. Beide Flugzeuge sollten über ein nahezu identisches Cockpit verfügen und Piloten daher leicht umgeschult werden können – wiederum ein Anreiz für Fluglinien, beide Flugzeugtypen zu betreiben.
Im Jahr 1979 wurde das neue Flugzeug offiziell angekündigt – unter dem neuen Namen Boeing 757 und mit ersten Bestellungen von British Airways und der heute nicht mehr existenten Eastern Air Lines. Ursprünglich wurde neben der 757-200 auch eine kleinere, dafür über eine höhere Reichweite verfügende 757-100 angekündigt. Mangels Interesses der Fluglinien wurde die kleinere Variante im gleichen Jahr bereits wieder verworfen.

Ebenso wie die etwas früher erschienene Boeing 767 wies auch die 757 viele technische Neuerungen auf, darunter erste vereinzelte Ansätze eines fly-by-wire-Systems sowie ein zunehmend digitalisiertes Cockpit, was auch bei der 757 die Rolle des Flugingenieurs obsolet machte und den Fluglinien damit Personalkosten ersparte. Die letzte Boeing 757 wurde im Jahr 2004 produziert.
Die Boeing 757 – Verschiedene Varianten
Das Basismodell, die 757-200
Die 757-200 ist das Basismodell der 757-Reihe. Der Erstflug des Typs fand im Februar 1982 statt, Anfang 1983 wurde das erste Exemplar beim Erstkunden Eastern Air Lines in Dienst gestellt. Mit einer Länge von rund 47 Metern ist das Flugzeug um etwa 2 Meter länger als die Airbus-Konkurrenz in Form des A321. Die 757-200 kann 200 Passagiere in einer typischen 2-Klassen-Konfiguration (Exit-Limit: 239) über eine Entfernung von 7.250 Kilometern befördern. Damit ist die 757 – seit der ETOPS-Zulassung im Jahr 1986 – grundsätzlich auch langstreckentauglich. Kunden hatten die Wahl zwischen RB211-Triebwerken vom britischen Hersteller Rolls Royce oder PW2037-Triebwerken von Pratt&Whitney.

Ein Blick in die Praxis zeigt, dass die 757-200 gerade bei amerikanischen Fluglinien oftmals in zahlreichen unterschiedlichen, meist relativ premiumlastigen Konfigurationen existiert. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die 757 in den Vereinigten Staaten oft auf sogenannten “Flagship-Routen” zwischen Ost- und Westküste und andererseits auch auf nachfragebegrenzten transatlantischen Flügen zum Einsatz kommt. Viele nordamerikanische 757 sind deshalb sogar mit Flachbett-Sitzen in der Business Class ausgestattet.

In der Vergangenheit flog United mit ihren 757-200 etwa von Newark nach Hamburg oder Berlin. Derzeit finden sich etwa Flüge nach Spanien (etwa Malaga oder Bilbao), Irland (Dublin), Schottland (Edinburgh) oder Portugal (Porto). Die 757-200 war jedenfalls die mit Abstand erfolgreichste Variante der 757 – 913 der insgesamt 1.049 757-Bestellungen gingen auf ihr Konto. Heutzutage sind die größten und gleichzeitig auch fast schon einzigen 757-200 Betreiber Delta Airlines (88), United Airlines (40) und Icelandair (11).
Die verlängerte 757-300 (“Der fliegende Bleistift”)
Die um 7 Meter verlängerte 757-300 kann bis zu 295 Passagiere über eine Entfernung von rund 6.300 Kilometer befördern. Das erste Exemplar wurde im Jahr 1999 an den Erstkunden Condor ausgeliefert. Optisch fällt die 757-300 sofort durch die für ein Schmalrumpfflugzeug außergewöhnliche Länge auf. Während die 757-200 bei Delta und United recht premiumlastig konfiguriert sind, fungieren die 757-300 eher als enger bestuhlte Ferienflieger. Dementsprechend gibt es hier auch keine Flachbett-Sitze in der Business- bzw. First Class, sondern die typischen “Domestic First Class” Recliner-Sitze.
Typische Ziele sind bei United und Delta etwa Hawaii oder Las Vegas. Die 757-300 der deutschen Condor sind mit 275 Sitzen besonders eng bestuhlt und verfügen über die typisch inner-europäische Business Class (Economy-Reihen mit geblocktem Mittelsitz). Die Flieger kommen auf Urlaubstrecken mit besonders hoher Nachfrage (Stichwort “Mallorca-Bomber”) oder größerer Entfernung (Kanaren) zum Einsatz.

Insgesamt wurden nur 55 Boeing 757-300 produziert und ausgeliefert. Die größten und gleichzeitig einzig verbliebenen Betreiber sind die bereits erwähnten United (21), Delta (16) und Condor (8).
Die 757 als Frachter und Regierungsflugzeug
Seit dem Jahr 1987 gibt es die Boeing 757 auch als Frachter, Erstkunde war das Logistikunternehmen UPS. Zusätzlich wurde 2001 ein Konversionsprogramm gestartet, mit dem Passagier-757 zu Fracht-757 umgewandelt werden können. Die größten Betreiber von Fracht-757 (in beiden Varianten) sind heutzutage Fedex (78), UPS (75) und die chinesische Frachtfluglinie SF Airlines (43).

Darüber hinaus kommt die Boeing 757 auch als Regierungsflugzeug zum Einsatz – die bekannteste Rolle ist wohl jene als “Air Force Two”. Konkret kommen bei der US Air Force vier modifizierte 757-200 (militärische Bezeichnung C-32A) zum Einsatz, mit welchen in der Regel der US-amerikanische Vizepräsident und Außenminister transportiert werden – in diesen Fällen lautet die Bezeichnung eben “Air Force Two”. Manchmal fungieren die C-32A aber auch als “Air Force One” – nämlich wenn der US-Präsident befördert wird, etwa weil die normalerweise dafür vorgesehen VC-25 (Boeing 747) aus irgendeinem Grund nicht zum Einsatz kommen können.

Schließlich gibt es noch einen besonders berühmten Besitzer einer 757 – Donald Trump. Dieser setzte den inzwischen fast 30 Jahre alten Privatjet mit der Registrierung N757AF etwa für seine zahlreichen Wahlkampftermine im Rahmen der US-Präsidentschaftswahl 2016 ein.
Die Zukunft der Boeing 757
Mit Dezember 2024 waren noch 525 der insgesamt 1.049 ausgelieferten Boeing 757 im Einsatz. Wie schon erwähnt, war und ist die 757 besonders bei US-amerikanischen Fluglinien am stärksten vertreten. United Airlines erhält im Sommer 2026 die erste von insgesamt 50 bestellten Airbus A321XLR und wird damit gleichzeitig beginnen, die verbleibenden 40 757-200 und 21 757-300 zu ersetzen. Delta hat bereits mit der Ausflottung der ersten, besonders alten 757 begonnen. Dieser Prozess wird sicher allerdings über einige Jahre ziehen, auf Grund der anhaltenden Zertifizierungsprobleme der Boeing 737 MAX 10, welche die 757 bei Delta ersetzen wird.
In Europa und insbesondere im DACH-Raum bleibt aktuell nur noch Condor als 757-Betreiber – und das nicht mehr lange. Bereits bis Winter 2025 sollen die verbliebenen 757-300 ausgeflottet werden.

Wer also innereuropäisch nochmal mit einer 757 fliegen möchte, hat nur noch wenige Monate Zeit dies bei Condor zu tun. Danach bleiben nur noch Flüge nach Nordamerika mit United Airlines (Delta fliegt transatlantisch nur noch nach Island) sowie inneramerikanische Flüge mit sowohl United als auch Delta. Ein zweites Leben dürften einige 757 freilich nach wie vor als umgewandelte Frachter erleben. Gerade für Paketfrachtunternehmen wie UPS sind die 757 auch heute noch sehr attraktiv.

Die Boeing 757 wird also, zumindest in der Passagierversion, in den kommenden Jahren zunehmend vom Himmel verschwinden – zeitgleich nimmt der Airbus A321LR und A321XLR diesen Markt ein. Von einem neuen “Middle of the Market” Konkurrenzprodukt von Boeing, wie etwa einer Boeing 797, gibt es weiterhin nichts zu hören. Am ehesten wird in diesem Segment daher noch die Boeing 737 MAX 10 eine Rolle spielen, ohne dabei jedoch die Reichweite der 757 zu erreichen.
Was sind Eure Erfahrungen mit der Boeing 757?
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