Die Boeing 787 ist eines der modernsten Langstreckenflugzeuge der Welt, die Meinungen zum Dreamliner gehen auf Grund diverser Kontroversen aber stark auseinander. In diesem Teil unserer ‘Zweistrahler im Portrait’-Reihe wollen wir uns deshalb neben der Entstehungsgeschichte sowie den verschiedenen Varianten und deren Einsatzgebieten auch ansehen, was das Flugzeug denn eigentlich so kontroversiell macht. Für Boeing ist der Dreamliner derzeit jedenfalls besonders wichtig.
Boeing 787 – Die Entstehungsgeschichte
Der Dreamliner war eigentlich gar nicht Boeings Plan A – stattdessen hatte der amerikanische Flugzeughersteller zunächst an dem ‘Boeing Sonic Cruiser’ gearbeitet. Dieses extravagant aussehende Flugzeug (Konzeptfotos findet ihr über Google Bilder) hätte 15% schneller als reguläre Passagierflugzeuge fliegen sollen und wirkt ein bisschen wie eine “Concorde Light” ohne Überschallgeschwindigkeit. Als die Terroranschlage vom 11. September 2001 die Luftfahrt in eine Krise stürzten, änderten sich die Prioritäten – die Fluglinien waren nicht mehr an einem schnelleren Fliegen interessiert, sondern bevorzugten dafür eine höhere Effizienz. Das Sonic Cruiser Programm wurde daraufhin im Dezember 2002 abgebrochen und im folgenden Jahr begann dafür die Entwicklung des auf Effizienz ausgelegten Boeing 7E7 Projekt. Bereits als 7E7 erhielt das Flugzeug in Folge eines Namenswettbewerbes den Beinamen Dreamliner.

Im Jahr 2004 wurde die japanische All Nippon Airways Erstkunde des Dreamliners und bestellte insgesamt 50 Exemplare. Die erste Auslieferung sollte nach dem ursprünglichen Plan bereits im Jahr 2008 stattfinden – bekanntlich sollte alles ganz anders kommen. Aus technischer Sicht sollte die Boeing 787 mit mehr Passagieren weiter fliegen können als die Boeing 767-300ER und dabei bis zu 20% weniger Treibstoff verbrauchen. Ermöglicht wurde das neben den starken Triebwerken (Rolls Royce Trent 1000 oder General Electric GEnx) auch durch den Umstand, dass der Dreamliner als erstes Passagierflugzeug zu einem großen Teil aus einem leichteren Material, nämlich kohlefaserverstärktem Kunststoff besteht.

Aus Passagiersicht wurden vor allem die dimmbaren Fenster, welche nun größer als je zuvor waren, sowie die bessere Kabinenluft und moderne Beleuchtungssysteme beworben. Weitere optische Eigenheiten, welche an allen Dreamlinermodellen zu finden sind, stellen die gezackten Triebwerksverkleidungen sowie die sich im Flug etwas nach oben biegenden Tragflächen der 787 dar.
Die verschiedenen Varianten der Boeing 787
Die Boeing 787-8, das Basismodell
Der kleinste Dreamliner absolvierte seinen Erstflug Ende 2009 und wurde im Oktober 2011 – mit über drei Jahren Verspätung – an den Erstkunden All Nippon Airways ausgeliefert. Das Basismodell kann in einer typischen Zwei-Klassen-Konfiguration rund 250 Passagiere über eine Distanz von 13.530 Kilometer befördern. In der Praxis gibt es natürlich sowohl premiumlastigere Konfigurationen (etwa mit nur 161 Sitzen bei Japan Airlines) als auch High-Density-Konfigurationen (mit 335 Sitzen bei den für den japanischen Inlandsmarkt konfigurierten Dreamlinern der All Nippon Airways).

Das Dreamliner-Basismodell stellt im niedrigeren Kapazitätssegment in erster Linie einen Ersatz für alternde Boeing 767 dar, war und ist andererseits auch ein direkter Konkurrent des Airbus A330-200. Insgesamt wurden 422 Boeing 787-8 bestellt, wovon bisher 375 Maschinen ausgeliefert wurden. Besonders viele Bestellungen sind somit nicht mehr offen und es dürften auch kaum mehr neue dazukommen.
Gewisserweise ist die Boeing 787-8 inzwischen das schwächste Glied der Dreamlinerkette. Die erste produzierte Dreamlinervariante hatte, da es sich schließlich um ein gänzlich neues Flugzeug handelte, mit einigen Kinderkrankheiten zu kämpfen und daher entfielen auch viele der Kontroversen auf diesen Typ. Die später erschienene, größere 787-9 hatte diesen Nachteil nicht mehr und ist das in nahezu allen Bereichen überlegene Flugzeug. Dazu kommt, dass die beiden größeren Varianten (787-9 und 787-10) untereinander eine Kommonalität von 95% aufweisen, während die Kommonalität zur 787-8 nur 30% beträgt – ein Umstand, den Boeing jedoch verändern möchte (Boeing 787-8 könnte Comeback feiern).

Die fünf größten Betreiber der Boeing 787-8 sind All Nippon Airways (36), Qatar Airways (30), Japan Airlines (28), Air India (27) und American Airlines (22). Bei ANA und JAL werden die kleinen Dreamliner auch auf kurzen innerjapanischen Flügen eingesetzt.
Die Boeing 787-9, der Verkaufsschlager
Die 787-9 ist eine um sechs Meter gestreckte Version des Basismodell. Das erste Exemplar wurde im Juni 2014 an den Erstkunden Air New Zealand übergeben. Die 787-9 konnte von den vielen Erfahrungen und Erkenntnissen, welche man seit der Inbetriebnahme der 787-8 gewinnen konnte, profitieren und beinhaltet entsprechend viele Optimierungen und Verbesserungen. Boeing ist es gelungen, die durchschnittlich auf 290 Passagiere gestiegene Sitzplatzkapazität gleichzeitig mit einer nochmals auf 13.950 Kilometer gestiegenen Reichweite zu kombinieren. Mehr Kapazität und mehr Reichweite ohne Effizienzverlust – kein Wunder also, dass die 787-9 mit 882 Bestellungen zum erfolgreichsten Dreamlinermodell aufgestiegen ist und die kleinere 787-8 seither ein Schattendasein fristet.

In ihrem Kapazitätssegment ähnelt die 787-9 am ehesten dem Airbus A330-900 und dem A340-300. Meist wird der erfolgreichste Dreamliner aber mit dem Airbus A350-900 verglichen, welcher jedoch eigentlich etwas größer ist. Auf Grund dieses Größenunterschiedes gibt es durchaus einige Fluglinien, welche sowohl die 787-9 als auch den A350-900 betreiben (etwa Qatar Airways, Ethiopian Airways oder Air China).

Die fünf größten Betreiber der Boeing 787-9 sind All Nippon Airways (35), United Airlines (30), Air Canada (29) sowie Etihad Airways und Hainan Airlines (je 28).
Die Boeing 787-10, gestreckt auf Kosten der Reichweite
Der größte Dreamliner war ursprünglich gar nicht geplant – zur Zeit des Programmstarts waren lediglich die Varianten 787-3, 787-8 und 787-9 angekündigt. Da aber mehr und mehr Fluglinien Boeing das Interesse an einer Dreamlinervariante mit höherer Kapazität kundtaten, kündigte der amerikanische Flugzeughersteller die Arbeiten an der Boeing 787-10 auf der Paris Air Show im Jahr 2013 offiziell an. Das erste Exemplar erhielt der Erstkunde Singapore Airlines im Frühjahr 2018.

Während der Fokus bei der 787-9 noch auf längeren Langstrecken mit einem mittlerem Kapazititätserfordernis lag, sollte die jetzt nochmals um fast sechs Meter gestreckte 787-10 für kürzere Langstrecken mit mehr Passagieren optimiert werden. Und so folgt diese Variante auch dem klassischen Tausch von höherer Kapazität (durchschnittlich 336 Passagiere) gegen eine etwas niedrigere Reichweite (11.750 Kilometer). Das Haupteinsatzgebiet der 787-10 dürfte vermutlich in kürzeren transatlantischen Strecken (derzeit etwa bei United Airlines) und innerasiatischen Verbindungen sowie Verbindungen zwischen Asien und Australien liegen (etwa bei Singapore Airlines). Gleichzeitig sind 11.750 Kilometer natürlich auch nicht nichts, wie sich an Hand der taiwanesischen EVA Air zeigt. EVA Air setzt auf den bis zu 11-stündigen Flügen zwischen Wien und Bangkok regulär eine 787-10 ein, auf den bis zu 13,5-stündigen Nonstop-Flügen zwischen Wien und Taipeh hingegen die 787-9.

Die fünf größten Betreiber der 787-10 sind Singapore Airlines (15), United Airlines (10), Etihad (6) sowie KLM und Eva Air (je 5). Bisher wurden erst 61 der 203 bestellten 787-10 ausgeliefert. Diese Zahl zeigt gleichzeitig, dass der längste Dreamliner bisher von allen Varianten am wenigsten bestellt wurde. Da das Modell aber auch am kürzesten auf dem Markt ist, bleibt abzuwarten, wie sich die Bestellungen in den kommenden Jahren entwickeln werden.
Die nie realisierte Boeing 787-3
Die Boeing 787-3 wäre im Grunde genommen eine leistungstechnisch beschränkte und für besonders kurze Flüge optimierte Version der 787-8 gewesen. Gedacht waren diese Varianten insbesondere für den japanischen Inlandsflugmarkt und wenig überraschend gingen auch die meisten Bestellungen dieses Typs auf das Konto von ANA und JAL. Die 787-3 hätte verkürzte Flügel mit traditionelleren Winglets statt den ‘raked winktips’ bei den sonstigen Modellen erhalten und wäre durch eine verstärkte Struktur für die häufigeren Starts und Landungen bei Kurzstreckenoperationen optimiert worden (Renderfotos findet ihr bei Google Bilder).
Als der potentielle Vorteil der 787-3 auf der Kurzstrecke im Laufe der Entwicklung der 787-8 immer mehr zu schrumpfen begann – zuletzt wäre die 787-3 nur noch auf Flügen unter 400 Kilometern effizienter gewesen – versuchte Boeing die bisherigen Kunden davon zu überzeugen, auf die 787-8 umzusteigen. Dies gelang schließlich auch und die verbleibenden Kunden in Form von ANA und JAL wechselten zur 787-8.
Boeing 787 – Die Kontroversen
Der Dreamliner war schon während der Entwicklung von zahlreichen Verschiebungen geplagt und erschien schließlich auch erst über drei Jahre nach dem ursprünglich geplanten Datum. Ein wesentlicher Grund hierfür dürfte gewesen sein, dass Boeing die Produktion der einzelnen Dreamlinerkomponenten an externe Anbieter ausgelagert hatte – eine besondere Herausforderung in Sachen Projektmanagement. Neben Kommunikationsproblemen gab es dann auch einfach immer wieder technische Probleme bei den unterschiedlichen Herstellern.

Als der Dreamliner dann erstmal in Dienst gestellte wurde, begannen zunehmend Probleme mit den verbauten Lithium-Ionen-Batterien aufzutreten. Das ganze gipfelte im Januar 2013 in einem Brand an Bord eines Dreamliners der ANA mit anschließender Notlandung und Notrutschenevakuierung am Rollfeld. Dies bedeutete nicht nur einen Imageschaden für die 787, sondern es kam in Folge zum ersten Mal seit Jahrzehnten zu einem weltweiten Grounding eines Flugzeugtyps. Erst im April 2013 durften die Dreamliner, nach Überarbeitung der entsprechenden Batterien, wieder im Passagierbetrieb abheben.

Bei vielen Passagieren weckt die Boeing 787 gemischte Gefühle hervor. Auf der einen Seite werden die außerordentlich großen Fenster, der angenehmere Kabinendruck und die höhere Luftfeuchtigkeit an Bord zwar positiv aufgenommen, andererseits wird in der Economy Class von vielen der Komfort bemängelt. Boeing konzipierte für die 787 ursprünglich eine 2-4-2 Sitzanordnung in der Economy Class, bot alternativ aber auch eine engere 3-3-3 Bestuhlung an. Im Endeffekt entschieden sich nur ANA und JAL für die eigentlich als Standard vorgesehene Konfiguration, während sämtliche andere Fluglinien sich aus Kostengründen für die enge 3-3-3 Bestuhlung entschieden. Dadurch sind die Sitze etwa im Vergleich zur 3-3-3 Anordnung im Airbus A350 um etwa 2,5 Zentimeter schmaler, was sich schnell im Schulterbereich beim Sitznachbarn bemerkbar machen kann. Daraus entstanden diverse spottende Spitznamen wie “Screamliner”.
Doch die Kontroversen um den Dreamliner sind heutzutage noch keineswegs vorbei. Im Laufe der Jahre wurde die Produktion der Dreamliner aus Kosten- und Platzgründen zunehmend vom Hauptwerk in Everett, Washington zum Boeing-Werk in North Charleston, South Carolina verlagert, ab dem Jahr 2021 werden die Dreamliner überhaupt nur noch in North Charleston produziert. Gleichzeitig stiegen die Kundenbeschwerden über Mängel bei in North Charleston hergestellten Dreamlinern in die Höhe – neben diversen technischen Problemen, wie etwa nicht sachgemäß verschlossenen Lücken zwischen Rumpfsegmenten, seien auch Fremdobjekte etwa in den Flügeltanks gefunden worden. Die amerikanische Luftfahrtbehörde FAA nimmt derzeit entsprechende Überprüfungen vor.
Boeing 787 – Die Zukunft
Selbst die ältesten Dreamliner kratzen gerade erst einmal an der Zehnjahresgrenze. Nun muss dies für sich genommen nichts heißen, wie man am Beispiel des Airbus A380 sieht. Doch dürften die Dreamliner mit ihrer niedrigen bis mittleren Kapazität im Gegensatz zum A380 genau die Erfordernisse der Nachkrisenzeit erfüllen. Aktuell rechnet man in der Industrie bestenfalls erst für das Jahr 2025 wieder mit Passagierzahlen wie vor der Krise. Bis es soweit ist, müssen Fluglinien sich an die geringe(re) Nachfrage anpassen. Langstreckenflugzeuge mit einer niedrigeren bis mittleren Kapazität sind naturgemäß leichter zu füllen und damit wirtschaftlich zu betreiben, als dies bei besonders großen Maschinen der Fall wäre. Dem Dreamliner kommt dazu natürlich auch noch die modernste Technik, daraus resultierende Treibstoffeffizienz und hohe Reichweite zu Gute.

Was die Zukunft darüber hinaus noch bringen wird, ist offen. Dem ganz allgemeinen Trend folgend wäre es einleuchtend, dass wir in fernerer Zukunft eine Art 787 NEO (von “MAX” dürfte Boeing wohl genug haben) mit neuen Triebwerken sehen könnten. Spekuliert wurde in der Vergangenheit auch über die Möglichkeit einer Neuauflage der kleineren 787-8 sowie über die Möglichkeit einer 787-10 mit erhöhter Reichweite (“787-10ER”). Ersteres scheint m.E. ziemlich unrealistisch, eher wird Boeing die Kommonalität der 787-8 mit den größeren Varianten weiter erhöhen, wie dies zum Teil auch bereits angekündigt wurde. Ob dies ausreichen würde, um neue 787-8 Bestellungen lukrieren zu können, ist aber fraglich – die 787-9 wäre ja dennoch das bessere Flugzeug. Bei einer 787-10ER ist hingegen die Frage, ob ein derartiges Flugzeug auf längeren Langstrecken wirklich mit dem von Grund auf für dieses Segment entwickelten A350-900 mithalten könnte. Eine 787-10ER könnte zudem den endgültigen Todesstoß für die Boeing 777-8 bedeuten.
Die Boeing 787 im DACH-Raum
Bei Fluglinien des DACH-Raumes ist der Dreamliner bisher eigentlich gar nicht vertreten – dies dürfte sich aber in den kommenden Jahren ändern. Im Frühjahr 2019 hat Lufthansa eine Bestellung über 20 Boeing 787-9 aufgegeben, welche zwischen Ende 2022 und 2027 ausgeliefert werden sollen. Noch offen ist dabei, welche Fluglinie(n) der Gruppe Dreamliner erhalten werden. Notwendig wäre die 787 wohl jedenfalls bei Austrian Airlines, um die stark alternden 767 und 777 Flotten der österreichischen Fluglinie zu ersetzen. Doch bisher scheiterte eine Modernisierung der AUA-Langstreckenflotte an der für die Lufthansa Führungsriege nicht ausreichenden Profitabilität. Durch die Coronakrise dürfte eine baldige Profitabilitätssteigerung jedoch ausgeschlossen sein.

Möglich wäre schließlich auch, dass die Dreamliner die verbleibenden Airbus A340-300 der SWISS ersetzen könnten, welche ab 2025 ausgeflottet werden sollen. Die Schweizer Airline ist der Musterschüler der Lufthansagruppe und könnte sich die Einflottung der Dreamliner jedenfalls leisten. Natürlich könnten die bestellten 787-9 auch gänzlich oder zum Teil bei der Lufthansa selbst verbleiben und dort ebenfalls A340-300 oder A330-300 ersetzen. An Brussels Airlines oder Eurowings dürften die Maschinen jedenfalls nicht gehen.
Was sind eure Erfahrungen mit der Boeing 787?
Das könnte dich auch interessieren: