Wer viel in der Business Class reist, wird feststellen, dass die Kabinen bzw. die Sitze bei unterschiedlichen Fluggesellschaften doch recht ähnlich sind. Das liegt daran, dass die meisten Fluglinien auf Sitzmodelle bewährter Hersteller zurückgreifen und in der Regel nur am Design Änderungen vornehmen. In einer Artikelreihe stellen wir die bekanntesten Sitzhersteller und ihre verschiedenen Modelle vor. Dabei fällt auf, dass die modernen Business Class Sitze der First Class immer mehr Konkurrenz machen, wie man auch an den Modellen von Recaro Aircraft Seating sehen kann.
Recaro ist ein deutscher Sitzhersteller mit Sitz in Schwäbisch Hall, dessen Geschichte bis ins Jahr 1906 zurückreicht. Ursprünglich stellte das Unternehmen Autositze her, hat das Portfolio mittlerweile aber auf die Bereiche Flugzeug-, Büro- und Gamingsitze ausgeweitet. Seit 1971 produziert man Flugzeugsitze und für diese Sparte ist Recaro Aircraft Seating verantwortlich. Der Hersteller hat bereits über 100 Airlines weltweit beliefert. Allerdings ist das Produktportfolio für die Economy Class größer als für die Business Class, weshalb wohl die meisten Kunden mit Economy Class-Sitzen ausgestattet wurden. Die unten aufgeführte Abkürzung “CL” steht für “Comfort Line”.
Bevor wir mit der Übersicht beginnen, noch eine Anekdote zu diesem Unternehmen: Bekanntheit erlangte Recaro auch dadurch, dass man Ersatzbänke für Top-Vereine im Fußball herstellt. Der Ursprung liegt im Jahr 1994, in einem Freundschaftsdienst von Recaro für den damaligen Trainer des 1. FC Kaiserslautern, Friedel Rausch. Dieser erhielt aufgrund von Rückenbeschwerden einen ergonomischen Autositz von Recaro im Stadion zur Verfügung gestellt. Der Sitzkomfort kam auch bei den Spielern gut an, weshalb schließlich die komplette Ersatzbank mit Sitzen von Recaro ausgestattet wurde. Mittlerweile findet man Spielerbänke von Recaro in über 100 Fußballstadien.
Recaro CL4400
Der Recaro CL4400 ist ein klassischer Recliner-Sessel für die Business Class. Er ist für die Kurz- und Mittelstrecke konzipiert. Er zeichnet sich durch seine großzügig verstellbare Rückenlehne und Kopfstütze aus. Zudem ist er einer der ersten Recliner-Sitze, die statt herkömmlicher Armlehnen eine Mittelkonsole bieten. Er wurde für Schmalrumpfflugzeuge entwickelt und kommt daher standardmäßig in einer 2-2 Konfiguration. Auf der Webseite des Herstellers wird dieser Sitz nicht mehr beworben und somit wohl nicht mehr verkauft. Dennoch kann man den Recaro CL4400 noch bei manchen Fluglinien antreffen, z.B. bei Alaska Airlines in der First Class (Boeing 737-800 und Boeing 737-900) sowie in der Boeing 737-800 von Qantas.

Einen Erfahrungsbericht zu diesem Modell findet ihr hier: Review: Qantas Airways Business Class Boeing 737-800 Sydney nach Christchurch
Recaro CL4420
Der CL4420 von Recaro ist ebenfalls ein klassischer Business Class-Sitz für Kurz- und Mittelstreckenflüge. Eine Lendenstütze sowie eine integrierte Massagefunktion sorgen für mehr Komfort. Auch dieser Sitz wird von Recaro nicht mehr im Produktportfolio angezeigt. Er ist in einigen Airbus A320 von Qatar Airways im Einsatz und womöglich auch in den A320 von Middle East Airlines (MEA) aus dem Libanon. Der CL4400/CL4420 war ein sehr erfolgreiches Modell von Recaro.

Recaro CL5710
2015 wurde das Business Class-Portfolio mit einem neuen Sitz erweitert. Der CL5710 wurde für Single-Aisle-Flugzeuge konzipiert, verkaufte sich aber anscheinend nicht wie erhofft. Mit Middle East Airlines (Airbus A321neo) und Shenzhen Airlines (Boeing 737-8 MAX) sind uns nur zwei Kunden bekannt.

Recaro CL4710
Der CL4710 ist das aktuelle Recliner-Sitzmodell von Recaro für Kurz- und Mittelstrecken. Es wurde 2017 als Nachfolgemodell der CL4400-Reihe vorgestellt. Vor allem im Bereich Ergonomie und Ablage- und Stauflächen stellt er eine Weiterentwicklung zum CL4400 dar. Erstkunde war Alaska Airlines, die den CL4710 für die First Class in ihren Boeing 737-700, Boeing 737-900ER, Boeing 737-Max 9 und Airbus A321neo ausgewählt hat. Eine modifizierte Variante des CL4710 hat Delta Air Lines für ihre Domestic First Class in den Airbus A321neo einbauen lassen.

Ein weiterer Kunde wird Sichuan Airlines werden, die den CL4710 in zehn A319neo einbauen lässt. Die Erstauslieferung der Flugzeuge soll im Mai 2024 erfolgen. Einen Erfahrungsbericht zu diesem Sitzmodell findet ihr hier: Review: Delta Airlines Domestic First Class Airbus A321neo Los Angeles nach Kona
Recaro CL6710
Der CL6710 ist Recaros aktuelles Erfolgsmodell für Großraumflugzeuge. Der Sitz lässt sich zu einem 180 Grad flachen Bett ausfahren und kommt in einer 1-2-1 Konfiguration. Die Sitze der jeweiligen Reihe sind unterschiedlich angeordnet. Das bedeutet, dass nicht jeder Einzelsitz an den Fensterreihen sich auch direkt am Fenster befindet. Auch die Anordnung der Doppelsitze in der Mittelreihe ist unterschiedlich. In manchen Reihen sind die Sitze durch die Mittelkonsole getrennt, in anderen nicht. Erstkunde war die israelische El Al, die ihre Boeing 787-8 und Boeing 787-9 mit diesem Sitzmodell ausgestattet hat. Erstflug des Modells war im September 2017.

Weitere Airlines, die den CL6710 für ihre Business Class ausgewählt haben, sind TAP Air Portugal im Airbus A330-900neo, China Southern im Airbus A350-900 und Azul im Airbus A330neo.
Recaro CL6720
Das neueste Modell des Herstellers ist der CL6720, der im Jahr 2021 eingeführt wurde. Erstkunde ist Air China mit ihren Airbus A350-900. Dieser Sitz der neuesten Generation verfügt über eine Trennwand und kann mit einer Tür ausgestattet werden. Zudem lässt sich der CL6720 in ein fast zwei Meter langes Bett verwandeln und bietet auch sonst die gewohnten Annehmlichkeiten eines modernen Sitzes in der Business Class. Ein weiterer Kunde ist Iberia. Hier findet man den CL6720 in den Airbus A350, die ein Kabinenupdate erhalten haben.

Business Class Sitze von Recaro Aircraft Seating – Fazit
Im Vergleich zu anderen großen Sitzherstellern, hat Recaro bislang nur recht wenige Kunden von seinen Sitzmodellen für Großraumflugzeuge überzeugen können. Der CL6720 soll dies ändern und bietet den Passagieren der Business Class die Möglichkeit, in einer Suite zu reisen. Wir werden weiter beobachten, ob Recaro neue Kunden von der Qualität der Sitze überzeugen kann.
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